Warum der ökonomische Problembär Nummer eins der Eurozone schon bald wieder mächtig Ärger machen könnte.
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Erinnern Sie sich noch an die große Griechenland-Krise 2015, als in den Medien tagaus, tagein im permanenten Krisenmodus über die Defacto-Pleite der Hellenen berichtet wurde, Bilder von geschlossenen Banken und abgeschalteten Geldautomaten um die Welt gingen und Pessimisten das Ende der ganzen Eurozone nahen sahen?
Mittlerweile hat eine ganze Kollektion neuer Krisen die griechischen Zores aus den Schlagzeilen verdrängt, Donald Trump löst Alexis Tsipras als Bösewicht vom Tag ab (oder als Held, je nach Gusto des Publikums). Das bedeutet bedauerlicherweise allerdings nicht, dass Griechenland in irgendeiner Art und Weise über den Berg wäre; ganz im Gegenteil. Der Problembär Nummer eins der Eurozone kann jederzeit wieder ganz mächtig Ärger machen. Etwa, wenn die Gläubigerstaaten zu dem Schluss kommen, dass Griechenland seinen Reformverpflichtungen nicht ausreichend nachkommt, und deswegen den Geldhahn zudrehen.
Denn die vermeintliche Rettung Griechenlands ist im Grunde einer ökonomischen Lebenslüge geschuldet, die zu glauben alle anderen EU-Staaten vorgeben, um zu verhindern, was längst fällig wäre: eine Insolvenz des Landes samt Austritt - und sei er nur vorübergehend - aus der Eurozone. Stattdessen gehen die Partner und vor allem die Großgläubiger in der EU allen Ernstes nach wie vor davon aus, dass die Griechen ab 2018 Jahr für Jahr einen Haushaltsüberschuss von 3,5 Prozent erwirtschaften soll, und zwar auf viele Jahre hin. Nur so wäre ja der Schuldenberg von derzeit fast 180 Prozent der Wirtschaftsleistung langsam regulär abzutragen.
Dass das auch nur annähernd gelingen kann, ist völlig undenkbar. Da könnte man gleich hoffen, dass der Finanzminister in Athen die Schulden seines Landes mithilfe regelmäßiger Jackpots in der Euromillionen-Lotterie begleicht. Deshalb sind im Grunde nur drei Lösungen denkbar, die freilich eines gemeinsam haben: Sie sind außerordentlich unerfreulich, kostspielig und politisch schmerzhaft.
Erstens: Die Gläubigerstaaten lassen den Griechen ihre Schulden zumindest teilweise nach. Österreich ist insgesamt mit Krediten und Haftungen von knapp zehn Milliarden Euro dabei. Ein solcher Schuldenschnitt wäre nach den Regeln des Maastricht-Vertrages allerdings ein klarer Rechtsbruch.
Zweitens: Athen tritt doch noch aus der Eurozone aus. Der Staat wäre dann binnen Tagen pleite, weil er seine Schulden in Euro mit dann stark abwertenden Drachmen bedienen müsste. Die Folge wäre ganz ähnlich wie in Variante eins.
Drittens: Die europäischen Gläubigerländer fügen dem aktuellen dritten Rettungspaket ein viertes, fünftes und noch viele weiter hinzu. Griechenland würde dann de facto auf Dauer vom Rest Europas alimentiert. Auch das wäre ein glatter Rechtsbruch - und vor allem auch ein Bruch des politischen Versprechens bei der Euro-Einführung, dass dergleichen nie geschehen werde.
Da heuer in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden gewählt wird, ist davon auszugehen, dass das Problem nicht gelöst, sondern im Wege kollektiver politischer Prokrastination weiter verschleppt und damit in Wahrheit noch weiter vergrößert wird. Die Realität wird, wieder einmal, verweigert werden.