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Grillparty im Häfen

Von Matthias G. Bernold

Wirtschaft

Zur Eröffnung des frisch renovierten Haftraumtraktes der Justizanstalt für Jugendliche in Gerasdorf lud Montagnachmittag Gefängnisleiterin Margitta Essenther. Die jahrelange Geschichte rund um Bauarbeiten, Baustopps, Firmenpleiten und Gerüchte, Gerasdorf würde überhaupt eingestellt, scheint damit wenigstens vorerst zu Ende.


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"Telefonieren ist hier verboten", schreit der Jugendliche aus dem dritten Stock herunter, als er mich mit dem Mobiltelefon in der Hand vorbeigehen sieht. "Verboten", setzt er noch einmal grinsend nach, als ich verdutzt nach oben schaue.

Für die über 100 jungen Häftlinge sind die vielen Besucher an diesem Tag eine Abwechslung im Gefängnisalltag. Kein Wunder, dass viele hinter gusseisernen Gittern neugierig die Gäste beobachten, die sich am Vorplatz - unter weißen Partyzelten - an Würstchen, Schweinskoteletts und Bier laben. Sogar der Justizminister hat den langen Weg aus Wien auf sich genommen. 66 Kilometer sind es von Wien nach Gerasdorf am Steinfeld. Für jene Jugendlichen im gelockerten Vollzug, die tagsüber einer Arbeit außerhalb der - fünf Meter hohen - Gefängnismauern nachgehen, heißt das Pendeln: Eineinhalb Stunden sind es mit der Bahn nach Wien.

Wer sich nicht im gelockerten Vollzug befindet, der sitzt jetzt im renovierten Hafttrakt ein, der freundlicher aussieht und modern ausgestattet ist. Ein Problem bleibt freilich ungelöst: Die Langeweile. Während die Jugendlichen untertags in den verschiedenen Werkstätten zu tun haben, sind sie abends ab 20 Uhr allein in den Zellen. Reichlich Zeit für blöde Gedanken. "Unlängst erst", erzählt einer der Wachebeamten mit 30 Jahren Diensterfahrung, und blickt spitzbübisch unter buschigen Augenbrauen hervor, seien zwei Burschen ausgebüchst - einer der beiden zwei Wochen vor der Entlassung: "Die haben hier als Gärtner gearbeitet, sind mit dem Traktor zur Mauer gefahren, haben eine Scheibtruhe drauf gestellt und sich nach oben gehievt." Gefasst waren die zwei dann nicht einmal zwei Stunden später beim Bahnhof: "Die kennen sich ja draußen nicht aus", erklärt der Wächter.

Gegen 19 Uhr ist der feierliche Nachmittag vorbei. Die Hafträume sind besichtigt und vom Diakon geweiht, die Würstel verzehrt. Margitta Essenther vom Minister zur Hofrätin ernannt. Eines nach dem anderen verlassen die Autos der Sektionschefs, der hohen Richter und der übrigen geladenen Gäste das Gelände durch die Sicherheitsschleuse. Zurück bleiben die Jugendlichen - und mit ihnen die Langeweile.