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Grippeviren geht es an den Hals

Von WZ-Korrespondent John Dyer

Wissen

US-Forscher fanden neue Antikörper gegen Grippeviren. | Auch gegen Vogelgrippe einsetzbar. | Boston. Amerikanische Wissenschafter haben bisher unbekannte Antikörper entdeckt, die eine Impfung gegen die Vogelgrippe und andere gefährliche Grippeviren möglich erscheinen lassen.


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Diese Antikörper sollen sich einfach in Labors herstellen lassen, heißt es in einer Studie, die in der Zeitschrift "Nature Structural & Molecular Biology" veröffentlicht worden ist. "Dieses Forschungsergebnis verspricht Entwicklungsmöglichkeiten zu einem medizinischen Instrument, um sowohl saisonale als auch pandemische Grippen zu behandeln und zu verhindern", sagte Anthony Fauci, Direktor des US-Institutes für Allergien und Infektionskrankheiten in Bethesda, Maryland.

Neue Impfstoffe mit der viel versprechenden erforschten Substanz könnten schon in vier bis sechs Monaten entwickelt werden, erklärte Fauci. Allerdings könnte es Jahre dauern, bis die Forscher die Genehmigung erhalten, ein neues Medikament oder eine neue Impfung auf den Markt zu bringen. Man könne allenfalls damit rechnen, dass diese Impfung für die Grippesaison 2010-2011 zur Verfügung stehen wird.

Dennoch haben Experten die Entdeckung allgemein begrüßt. Damit werde die Tür zu Massenimpfungen geöffnet, wie einst gegen Masern, Mumps oder Polio. "Zum ersten Mal zeichnet sich eine universelle Impfung gegen Grippe-Viren ab", sagte Peter Palese, ein Spezialist für Erkrankungen der Atemwege an der renommierten Mount Sinai School of Medicine in New York.

Neue Struktur entdeckt

Die Forschergruppe, die die bisher unbekannten Antikörper-Stämme entdeckt hat, stand unter Leitung von Wayne Marasco vom Dana-Farber Krebsinstitut und der Medizin-Fakultät von Harvard in Boston.

Die neuen Antikörper sind in der Lage jene Teile von Grippeviren auszumachen, die bisher von der körpereigenen Abwehr nicht entdeckt wurden. Sie sehen gleichsam den "Hals" eines Protein-"Kopfes". Die neuen Antikörper heften sich an diesen Hals und verhindern damit die Virusinfektion der menschlichen Körperzellen.

Im Rahmen ihrer Forschung haben die Wissenschafter auch Erkenntnisse über Struktur und Verhalten von Grippeviren gewinnen können, die erklären, warum gerade dieser Virus so bösartig und so schwer zu behandeln ist.

Marasco erläuterte, dass der Kopf des Grippevirus den menschlichen Körper und seine Abwehr regelrecht austrickst, indem er den Anschein erweckt, er sei die Ursache der Grippe-Infektion. Diesen Eindruck erhält er aufrecht, da er ständig mutiert. Tatsächlich aber sei der Hals für die Infektion ursächlich. Der Körper produziere allerdings nur Antikörper, die den Kopf angreifen und den eigentlich gefährlichen Hals ignorieren.

Diese Einsicht erklärt, warum Grippe so schwer zu behandeln ist und Jahr für Jahr anscheinend neue Viren auftauchen, die tatsächlich nur Mutationen des Kopfes sind. Marasco beschrieb den sogenannten Hals und Kopf des Grippevirus wie einen "Lolli", also ein Bonbon mit Stiel. Während der Kopf sich verändert, bleibt der gefährliche Stiel ständig gleich. "Stellen Sie sich vor, in einer Saison gibt es einen roten Lollipop", erläuterte Marasco. "In der nächsten Saison ist es ein gelber und danach vielleicht ein grüner."

Die derzeit verabreichten Grippe-Impfungen greifen den - ständig mutierenden - Kopf gezielt an, wirken aber wenig, weil sie keine körpereigenen Antikörper gegen den eigentlich gefährlichen Viren-Hals bilden.

Jedes Jahr sterben weltweit rund 500.000 Menschen an Grippeviren, wie die Weltgesundheitsorganisation festgestellt hat. Wissenschafter warnen seit langem, dass der Welt eine neue Grippe-Pandemie wie die sogenannte Spanische Grippe von 1918 drohe, die Dutzende Millionen Menschen töten würde.

Die asiatische Vogelgrippe, die in vergangenen Jahren grassierte, wurde als möglicher Herd für eine solche weltweite Gefahr betrachtet. Denn der Virus ist von Geflügel bisher nur gelegentlich auf den Menschen übergangen, was sich aber durch Mutation des Virus bald ändern und zu einer allgemeinen Gefahr ausweiten könnte.