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GroKo-Rituale

Von Reinhard Göweil

Leitartikel
Chefredakteur Reinhard Göweil.

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Zu Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP gehören fixe Rituale. Im Moment sind sie festgefahren, die Volkspartei ist sauer auf die SPÖ, ÖVP-Chef Michael Spindelegger spricht von "Schwierigkeiten" und inszeniert ein Krisengespräch beim Bundespräsidenten. Die SPÖ ist pikiert, weil sie am Montag Sparvorschläge unterbreitete, aber als "Bremser" dasteht.

Nun, 2008 unterbrach die ÖVP die Koalitionsverhandlungen ebenfalls, Josef Pröll verlangte Klarheit zu zehn Fragen. Und 2006 brach die ÖVP die Koalitionsverhandlungen ebenfalls ab, damals hatte Wolfgang Schüssel Zweifel an der "Vertrauensbasis". Sowohl 2006 als auch 2008 kam die "GroKo" letztendlich zustande, und auch 2013 schaut es danach aus.

Wenn sich also die beiden Parteien nächste Woche grundsätzlich einigen, haben sie ihre Rituale abgehandelt, aber eines endgültig verspielt: "Koalition neu" ist das nicht, dazu hätte es auch neuer Rituale bedurft.

Dabei hätte eine Minderheitsregierung durchaus Charme, alleine schon, weil sie eine Innovation darstellen würde. Die jeweils regierende Partei müsste sich für bestimmte Vorhaben eine Mehrheit im Parlament suchen, allen voran für das Budget. Das Machtzentrum würde sich vom Ballhausplatz spürbar ins Parlament verlagern. Weder Parteien noch Mandatare sind darauf vorbereitet, es würde nicht lange halten - und bleibt daher ein Gedankenspiel.

Warum die beiden Parteien kurz vor Abschluss der Verhandlungen eine derartige Torschlusspanik befällt, ist leicht erklärt. Natürlich haben sowohl SPÖ als auch ÖVP kommende Wahlgänge im Auge. Wer allzu kompromissbereit ist (der Part fiel 2006 und 2008 der SPÖ zu), wird für Wähler weniger wahrnehmbar. Im Mai 2014 steht die Europa-Wahl an, im Herbst 2015 die Wiener Wahl. Bei ersterer geht es für die Volkspartei um sehr viel, bei zweiterer für die SPÖ um noch mehr.

Ob das gerade stattfindende Ritual hilfreich ist, darf getrost verneint werden. Der altbekannte Streit und der daraus entstehende Verdruss würde auch ein gutes Ergebnis der Koalitionsverhandlungen überlagern. (Schon 2006 und 2008 sprachen beide von einer Koalition "neuen Stils".)

Österreich kam bisher gut durch die Krise. Doch was hilft das, wenn die öffentlichkeitswirksamen GroKo-Rituale das genaue Gegenteil verheißen?