Zum Hauptinhalt springen

Groß und stark ist gar nicht falsch

Von Helmut Dité

Wirtschaft

Bei der New Yorker Auto-Show werden zwar viele Kleine ausgestellt, gekauft aber werden die Spritschlucker.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

New York. Irgendetwas stimmt beim Rundgang durch die Haupthalle des Javits-Messegeländes in Manhattan nicht. Hier findet gerade die besucherstärkste Automesse der Vereinigten Staaten statt, die New York International Auto Show. Eine Million Besucher werden bis 7. April erwartet. Doch statt der in den USA beliebten Pick-up-Trucks und Geländewagen belegen kleine und kompakte Autos einen guten Teil der Ausstellungsfläche. Eine Zeitenwende im Land der Straßenkreuzer?

"Kleinere Autos werden schön langsam eine wichtigere Rolle spielen auf dem US-Markt", sagt BMW-Vertriebschef Ian Robertson. "Der US-Markt ist offen für neue Konzepte und neue Ideen." Robertson muss es wissen: Der Münchener Autobauer wagte schon vor elf Jahren das Unterfangen, mit seiner britischen Kleinwagen-Tochter Mini in die Vereinigten Staaten zu gehen. Im vergangenen Jahr verkaufte sich der Wagen hier immerhin 66.000 Mal. Fiat hat den 500 herübergebracht, Daimler den Smart und Ford den Fiesta. Die Modelle werden in New York genauso aufwendig und raumfüllend präsentiert wie die Nobelschlitten von Rolls-Royce, Porsche oder Mercedes-Benz. Dagegen sind die Pick-up-Trucks und die meisten Geländewagen in das Untergeschoß der Messehalle verbannt worden - deren große Stunde hat schon im Jänner bei der Automesse in Detroit geschlagen.

Die Aufteilung des Messegeländes darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass mehr als jedes zweite verkaufte Auto in den USA weiterhin ein Light Truck ist. Wie zum Beweis gibt es in New York Neuvorstellungen des Dodge Durango, des Jeep Cherokee und des Range Rover Sport. Allerdings steckt in so manchem Geländewagen heute mehr ein Pkw und selbst die Pick-up-Trucks der neuesten Generation haben abgespeckt - man bekommt sie mit Sechs- statt Acht-Zylinder-Motoren.

VW bietet als kleinstes Modell in den USA den Golf an. Die neueste, siebente Generation räumte in New York gleich den Titel des "World Car of the Year" ab. Noch sei das Kompaktsegment vergleichsweise klein, sagt VW-Landeschef Jonathan Browning. "Aber ich bin überzeugt, dass die US-Kunden offener werden." Vorsichtshalber stellt man in New York das PS-stärkste Modell, den GTI, vorne an die Rampe.

Dass Klein- und Kompaktwagen in den USA einmal so verbreitet sein werden in Europa, glaubt allerdings kaum jemand in der Branche. Viele Amerikaner verlangen weiterhin große Autos, sagt Toyota-Manager Bob Carter. Das liege schon alleine an den weiten Strecken, die die Menschen in den USA zurücklegten.

Die Branche feiert sich selbst - mit Vollgas

Die US-Autobranche feiert sich selbst, kommentiert "Spiegel Online"-Reporter Tom Grünweg. Und mit gutem Grund: Denn anders als in Europa brummt der Fahrzeugmarkt in den USA auch heuer wieder. Trotz der Unsicherheiten ums US-Budget hat sich Verbraucherstimmung verbessert, auch der Immobilienmarkt legt wieder zu.

"Die Autokäufer haben sich in der Krise lange die Anschaffung eines neuen Wagens verkniffen - jetzt sind sie ungeduldig und wollen neue Modelle sehen", sagt Analyst Alec Gutierrez von Kelly Blue Book, einem renommierten Automobil-Bewertungsunternehmen. Auf der New York Autoshow bekommen sie reichlich davon. Die Ausstellung, die seit mehr als hundert Jahren veranstaltet wird, meldet heuer fast 150 Fahrzeug-Premieren, fast doppelt so viele wie 2012.

Noch ist der US-Markt weit entfernt von den Rekordwerten aus der Zeit vor der Krise, als pro Jahr bis zu 18 Millionen Neuwagen verkauft wurden. Aber es herrscht ein stabiles Wachstum: In diesem Jahr rechnen die Fachleute mit rund 15,5 Millionen Neuzulassungen. Allein im März wurden in den USA 1,45 Millionen Autos verkauft, das ist der beste Monatswert seit August 2007. Und übrigens mehr als die Hälfte dessen, was die Prognosen für Deutschland im gesamten Jahr 2013 erwarten.

Die guten Aussichten sorgen aber auch dafür, dass die Hersteller kein Risiko eingehen wollen und eifrig den Massengeschmack bedienen. So, wie in den Jahren der besten Verkaufszahlen - führen dicke SUVs und leistungsstarke Sportwagen die Zulassungsstatistiken an.

Auch die deutschen Hersteller schließen sich weitestgehend diesen Trends an. Motorleistung ist gefragt, also wird Motorleistung geboten. Mercedes beispielsweise enthüllt in Manhattan als Einstiegsmodell den CLA 45 AMG, eine Limousine mit 360 PS. Audi zeigt zur Premiere der neuen kleinen A3 Limousine nicht irgendeine Motorvariante, sondern gleich den S3 mit 300 PS.

Die große Show der Pick-ups hat es schon vor ein paar Wochen in der "Motor-City" Detroit gegeben. Alle drei US-Autokonzerne zeigten Neuheiten im Pritschenwagen-Segment. "Für uns ist 2013 das Jahr des Pick-ups", erklärte Michele Krebs, Analyst der Auto-Datenbank Edmunds.com. Und Rebecca Lindland vom Marktanalyse-Unternehmen IHS Automotive sagt: "Der Pick-up ist das Fahrzeug in der gesamten Autowelt, das einzig und allein amerikanisch ist. Hier geht es nicht nur um Profit, hier geht es um ein Lebensgefühl, um Rock’n’Roll und Apple Pie."

Seit Jahrzehnten ist Fords F-150 das meistverkaufte Auto in den USA. Auch 2012 fuhr er in der Absatzstatistik weit voraus - mit 645.316 Neuzulassungen. Bei seinem Nachfolger - präsentiert als "Atlas Concept" - ist erstmals von Gewichtsreduktion und einem Fünftel Spritersparnis die Rede.

Auch die Gegenseite - General Motors und Chrysler, das jetzt Fiat gehört - fahren mit kleineren, feineren Modellen auf, die mit neu entwickelten Sechs- und Achtzylindermotoren - mit Zylinderabschaltung! - anrollen.

"Jetzt geht es um den Thron im bedeutendsten - und wachsenden - Segment des größten Marktes der Welt", sagt Analyst Krebs. Der Pick-up ist längst bei den Familien angekommen", berichtet Grünweg. Texas ist zwar nach wie vor der größte Markt - der drittgrößte aber ist schon New York City.