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Groß zu denken ist Obamas größte Herausforderung

Von David Ignatius

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In den 1960er Jahren schien in den USA alles möglich zu sein. Doch das Land hat den Willen verloren, die wirklich großen Probleme anzugehen.


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"Warum wir große Probleme nicht lösen können", lautet der provozierende Titel in der letzten Ausgabe der "MIT Technology Review". Das sollte zu US-Präsident Barack Obamas Lektüre gehören, wenn er über seine Antrittsrede im Jänner und die Agenda für seine zweite Amtszeit nachdenkt. Jason Pontin, Chefredakteur der "MIT-Review", beginnt den Artikel mit der Erinnerung an die Blütezeit der Weltraumforschung - das unglaubliche Jahrzehnt, in dem die USA erreichten, was Präsident John F. Kennedy versprochen hatte, nämlich bis Ende der 1960er Jahre Menschen auf den Mond zu bringen.

Das Gefühl von Ehrfurcht ist geschrumpft, wenn nicht sogar verschwunden. Seit 1972 war kein Mensch mehr auf dem Mond. Und wie Pontin schreibt, "erscheinen große Probleme wie Hunger, Armut, Malaria, Klimawandel und Krebs, von denen man glaubte, die Technologie würde sie lösen, heute unhandhabbar schwierig". Worauf Pontin hinaus will, ist, dass diese Probleme tatsächlich lösbar sind, wenn die USA und andere hochentwickelte Staaten ihre Zielsetzungen erweitern, ihr Forschungsbudget und ihre Bereitschaft, Risiken einzugehen. Die "MIT-Review" bringt eine Reihe von Ideen, die machbar sind, hier und jetzt. Warum werden sie nicht finanziert? Pontin stellt als einen wichtigen Faktor die Kürzung der Mittel für Energieforschung fest.

Ein zweiter interessanterer Grund ist laut Pontin eine Tendenz unter Risikokapitalgebern und anderen Investoren, eher nach kleinen Erfolgen und nicht nach großen technologischen Durchbrüchen Ausschau zu halten. Er zitiert Bruce Gibney, einen Risikokapitalgeber in San Francisco, der eine harsche Erklärung parat hat: "In den späten 1990er Jahren hat sich das Risikoinvestment von im Wandel befindlichen Firmen zu Unternehmen hin verschoben, die Zuwachsprobleme lösen oder sogar Scheinprobleme."

Die vergangenen vier Jahre waren, wie uns Obama während des Wahlkampfs so oft erinnert hat, größtenteils dem Wiederaufbau nach der Rezession gewidmet und dem Rückzug aus kostspieligen Kriegen. Es war eine Zeit geringer Erwartungen, geringer Erträge und geringer Risikobereitschaft. Der vorsichtige Stil des Präsidenten spiegelte die Vorsicht der Wall-Street-Investoren wider, die, was sie auch immer behaupten mögen, in noch kleineren Dimensionen dachten als er.

Werden die USA in den nächsten vier Jahren in größeren Dimensionen denken - nicht im üblichen Sinn expansiver Außenpolitik, sondern im Sinn von Wiederaufbau der Wirtschaft und technologischer Meisterschaft? Eine Partnerschaft der Regierung mit der Wirtschaft kann hier entscheidend sein. Sie würde dem Land signalisieren, dass der Präsident und die größten Finanz- und Industrieunternehmen an einem Strang ziehen.

Bis auf gelegentliche Hoffnungsschimmer hat Obama bisher keine Qualität als Präsident des Wandels bewiesen. Sein Team hat bei der Wahl einen politischen Sieg errungen, der ein Geniestreich war. Aber kann Obama diesen Schwung in einen realen Regierungs- und Wachstumsplan umsetzen?

Übersetzung: Redaktion

Siehe Originalfassung "Obama's challenge: Thinking big"