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Großbritannien trotzt der deutschen Energiewende

Von WZ-Korrespondent Gabriel Rath

Politik
Das britische AKW wird von Firmen aus China miterrichtet.
© reu

AKW in Somerset wird von Franzosen und Chinesen gebaut.


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London. Großbritannien setzt auf eine strahlende Zukunft. 57 Jahre nach der Eröffnung des ersten Atomkraftwerks der Welt in Calder Hall in Cumberland sieht sich Großbritannien erneut als AKW-Pionier: Während Deutschland die Energiewende eingeleitet hat, erteilte die britische Regierung am Montag die erste Baubewilligung für ein neues britisches AKW seit 20 Jahren - und die erste in einem Industriestaat seit dem Unfall von Fukushima 2011.

Den Reaktor Hinkley Point C in der Grafschaft Somerset im Südwesten des Landes wird ein Konsortium unter Führung des französischen Energieriesen EDF errichten, der 45 bis 50 Prozent an der Gesellschaft halten wird. Weitere Partner sind der französische Atomkonzern Areva sowie China General Nuclear Corp. und China National Nuclear Corp. Seit der britischen Privatisierungswelle der 1980er hat kein heimisches Unternehmen mehr die Mittel für eine derartige Investition.

Während in der Vergangenheit AKW von der öffentlichen Hand finanziert wurden, trägt diesmal das Konsortium die derzeit auf 14 Milliarden Pfund (16,5 Milliarden Euro) geschätzten Errichtungskosten. Dafür erhält EDF einen garantierten Abnahmepreis, der mit 92,5 Pfund pro Megawattstunde derzeit ziemlich genau das Doppelte des Marktpreises ausmacht. Dieser Preis ist an den Konsumgüterpreisindex gekoppelt und kann jährlich maximal in dieser Höhe angehoben werden.

Das neue AKW wird mit maximal zwei Druckwasserreaktoren ausgestattet und soll bis zu 60 Jahre lang Strom liefern. Die Regierung lobte sich am Montag großzügig für ihre Entscheidung: "Damit werden 25.000 Arbeitsplätze geschaffen und fließen 16 Milliarden Pfund an Investitionen in unser Land", sagte Premier David Cameron. Und der zuständige Energiestaatssekretär Ed Davey sieht "einen wichtigen Schritt, um unseren langfristigen Energiebedarf abzudecken".

Chinesische Beteiligungist umstritten

In den nächsten zehn Jahren muss Großbritannien 60 Prozent seiner Stromerzeugungskapazität aus Umwelt- oder Altersgründen vom Netz nehmen. Derzeit hat Großbritannien noch 16 AKW am Netz, die 19 Prozent des im Land hergestellten Stroms produzieren. Der Rest kommt überwiegend aus teils sehr alten Kohlekraftwerken. Um die britische Treibhausgasemission bis 2050 um 80 Prozent zu senken, wird die Atomstromproduktion von derzeit 12 auf 75 Gigawatt ausgeweitet. Zum Vergleich: Der erste Reaktor in Hinkley Point C soll alleine so viel leisten wie 6000 Windturbinen.

Opposition und Gewerkschaft befürworten den Ausbau der Atomenergie, die Umweltgruppe "Friends of the Earth" hingegen spricht von einer "unglaublich großen vergebenen Chance, das Geld in einer Form auszugeben, die uns zum Weltmarktführer in Energieeffizienz gemacht hätte."

Umstritten ist auch die starke Beteiligung chinesischer Investoren, der Schatzkanzler George Osborne erst vorige Woche bei einem Besuch in Peking zustimmte. Doch beim Werben um Investoren treten selbst Fragen der nationalen Sicherheit bisweilen zurück. So meinte Londons Bürgermeister Boris Johnson: "Wir sind offen für Investoren und für Geschäfte bereit. Wir sind so offen, dass wir sogar das Haus, in dem unser Geheimdienst untergebracht ist, an chinesische Immobilieninvestoren verkauft haben. Eine nette Zeitersparnis, schätze ich."