Zum Hauptinhalt springen

Großbritannien und die Menschenrechte - ein Dilemma

Von Anton Fischer

Recht
Anton Fischer ist Wirtschaftsanwalt in Österreich mit internationaler Erfahrung und in England & Wales zugelassener UK Solicitor. Neben seiner auf Gesellschafts-, Transaktionsrecht und Brexit spezialisierten Rechtsberatung ist der Gründer von FISCHER FLP Lehrbeauftragter an der University of Birmingham für Internationales Handelsrecht. Mehr Infos zum EU-Recht auf www.flp-legal.com.
© privat

Einfach aus der Europäischen Konvention für Menschenrechte austreten können die Briten nicht.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Dass die Briten sich noch nie richtig mit der seit 1953 geltenden Europäischen Konvention für Menschenrechte arrangieren konnten, ist schon lange bekannt. Die möglicherweise bevorstehende Abschiebung des Wikileaks Gründers Julien Assange in die USA wirft nun einmal mehr die Frage auf, wie sehr sich das Vereinigte Königreich insbesondere im Lichte des Brexits noch an die EMRK gebunden fühlt. Nimmt man es mit dieser genau, so könnte die Auslieferung von Herrn Assange nicht nur das Grundrecht auf Medienfreiheit einschränken. Ganz abgesehen davon würde eine Auslieferung in ein Land, in dem Herr Assange womöglich der Gefahr von Folter oder unmenschlicher beziehungsweise erniedrigender Behandlung ausgesetzt wäre, jedenfalls gegen die EMRK verstoßen.

Die öffentliche Meinung der Briten zur EMRK ist zwiespältig. Die Unterstützung für die Menschenrechte mag oft groß sein. Die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird jedoch aufgrund dessen vermeintlicher EU-Nähe oft argwöhnisch beäugt. Bereits im Vorfeld des Brexits wurde von der damaligen Regierung unter Premier David Cameron der Vorschlag gemacht, die EMRK gegen eine eigene britische "Bill of Rights" einzutauschen. Den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sollte lediglich die Bedeutung von unverbindlichen Empfehlungen zukommen. Das die Vorstöße der britischen Regierung befeuernde Hauptargument im Lichte des Brexits war stets die Befürchtung, die EMRK würde die parlamentarische Souveränität Großbritanniens schwächen.

Eine Abwertung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als bloßes Beratungsorgan wäre jedoch mit den Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs im Rahmen der EMRK unvereinbar. Entscheidungen des Gerichtshofs sind nach dieser verbindlich und müssen umgesetzt werden.

Die EMRK ist kein EU-Rechtsakt

Dazu kommt, dass die EMRK kein EU-Rechtsakt ist. Der Brexit hat daher nicht automatisch den Austritt aus der Konvention zur Folge gehabt. Den Briten bliebe daher nur der Austritt aus der EMRK selbst. Einem solchen haben sie sich jedoch im Rahmen des Brexits selbst einen Riegel vorgeschoben. Bereits während der Brexit-Verhandlungen einigten sich die EU und das Vereinigte Königreich in der gemeinsamen politischen Erklärung darauf, dass die künftigen Beziehungen "das anhaltende Engagement des Vereinigten Königreichs für die Rahmen der EMRK zu achten hätten". Mit dieser Haltung wurden der Rahmen für den Brexit-Deal abgesteckt und das Engagement für die EMRK bekräftigt.

Im Brexit-Abkommen wurde dies noch einmal bestätigt. Die Vertragsparteien bekräftigten hier noch einmal ausdrücklich ihre "Achtung der von diesen eingegangenen internationalen Menschenrechtsverträgen". Zwar wird die EMRK nicht ausdrücklich erwähnt. Unzweifelhaft zählt diese jedoch zu den erwähnten internationalen Verträgen.

Das Vereinigte Königreich kann daher versuchen, auf nationaler Ebene innerhalb enger Grenzen die Anwendung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einzuschränken. Einfach aus der EMRK austreten können die Briten aber nicht.