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Große Freude über einen Abwärtstrend

Von Simon Rosner

Politik

Ist das schon die Trendumkehr auf dem Arbeitsmarkt? Experten sind zuversichtlich.


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Das Arbeitsmarktservice (AMS) hat trotz steigender Arbeitslosigkeit im Vorjahr deutlich seltener das Arbeitslosengeld gesperrt. 
© Herzi Pinki - CC 3.0

Wien. Noch im Dezember waren die Prognosen für den Arbeitsmarkt düster. Es sei keine Trendwende zu erwarten, erklärte der Arbeitsminister Alois Stöger. Die Oesterreichische Nationalbank rechnete mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit, und auch die Wirtschaftsforschungsinstitute Wifo und IHS gingen von einer Prolongierung der tristen Lage auf dem Arbeitsmarkt aus. Wie gesagt: Das war im Dezember.

Anfang April ist zwar nicht alles anders. Aber doch hat sich die Richtung offenbar signifikant gedreht. Im März reduzierte sich die Arbeitslosigkeit im Vorjahresvergleich um 1,8 Prozent, die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen sogar um 3,7 Prozent. Es ist der deutlichste Rückgang seit fünf Jahren.

"Jetzt ist sie aber wohl wirklich da, die Trendwende am Arbeitsmarkt", sagt Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS). Stöger spricht von einem "Frühling auf dem Arbeitsmarkt" und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner frohlockt: "Die Konjunktur zieht an, die Stimmung in der Wirtschaft hat sich gedreht. Unsere Maßnahmen beginnen zu wirken."

Weniger Flüchtlinge

Dass es wirklich die Politik und ihre Programme war, die den Umschwung bewirkt hat, nun, das darf wohl durchaus mit Skepsis betrachtet werden. Andererseits: Untätig war diese Regierung sowie auch ihre Vorgängerin nicht. Im Wesentlichen gibt es zwei Gründe, weshalb die Experten ihre Prognosen von Rot auf Grün gedreht haben: Erstens sind deutlich weniger Flüchtlinge beim AMS als arbeitssuchend gemeldet, als erwartet worden war. Die Asylverfahren verzögern sich, zudem vermittelt das AMS erst, wenn zumindest geringe Deutschkenntnisse (A2-Niveau) vorhanden sind. Es wird also noch etwas dauern, bis sich die Fluchtbewegung so richtig auf dem Arbeitsmarkt niederschlägt.

© M. Hirsch

Zweitens hat sich die Konjunktur klar verbessert. In der Frühjahrsprognose haben Wifo und IHS ihre Erwartung für dieses Jahr auf ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent angehoben, und das schlägt sich eben auch in den Interpretationen der Arbeitsmarktdaten durch, die nun von einer Trendwende künden.

Und hier kann die Politik wohl auch zu Recht auf ihr Handeln in jüngerer Vergangenheit verweisen. Denn über mehr als zwei Jahre haben vor allem zwei Faktoren die heimische Konjunktur gebremst. Das war einerseits der schwächelnde Konsum im Inland, anderseits eine schlechte Stimmung bei den Unternehmen, die notwendige Investitionen aufschoben.

Zuerst hat die Steuerreform, die Anfang des Vorjahres wirksam wurde, den Konsum in Österreich angeregt. Wie übrigens auch die Asylkrise. Die Flüchtlinge mussten schließlich versorgt, betreut und untergebracht werden. Aber auch die Stimmung in der Wirtschaft ist trotz aller Unsicherheiten wie dem Brexit oder Donald Trumps angekündigten Strafzöllen gut. "Das hat sich komplett gedreht, wir haben schon lange nicht mehr so positive Stimmungsindikatoren registriert", sagt Helmut Hofer, Arbeitsmarktexperte des IHS. Nachsatz: "Die Unsicherheiten bleiben natürlich." Soll heißen: Die gute Stimmung kann sich ebenso schnell, wie sie kam, wieder ins Gegenteil verkehren.

Aufschwung auch in EU

Über die Rolle der Politik kann hier nur spekuliert werden. Tatsache ist, dass der Kanzlerwechsel im Sommer - damals zumindest - positiv von der Wirtschaft aufgenommen wurde, es gab zudem ein Förderprogramm für Klein- und Mittelbetriebe sowie eine Senkung der Lohnnebenkosten. Weitere Maßnahmen wurden inzwischen angekündigt und durch die Adaptierung des Regierungsprogramms im Jänner auch terminisiert.

Österreich profitiert aber auch von der wirtschaftlichen Entwicklung in anderen EU-Staaten. "Bei den Auslandsaufträgen sieht es besser aus", sagt Hofer. Das Vorjahr schloss die Außenwirtschaft zwar mit einem minimalen Minus ab, doch für heuer erwartet die Wirtschaftskammer ein deutliches Plus, und schon 2016 hat sich gezeigt, dass in den Hauptexportmärkten, und das sind vorrangig andere EU-Staaten, ein Aufwärtstrend zu bemerken war.

Der konjunkturelle Aufschwung in den Nachbarstaaten - Ausnahme ist hier nach wie vor Italien - hat auch eine zweite Konsequenz. Die Arbeitsmärkte in Ungarn, Tschechien, der Slowakei, aber auch in Rumänien und Bulgarien zeigen Entspannung. Das reduziert auch die Arbeitsmigration nach Österreich. Über Jahre war hierzulande der Beschäftigungszuwachs vor allem dadurch geprägt, dass nach der EU-Erweiterung und der Öffnung des Arbeitsmarktes viele EU-Ausländer nach Österreich zogen, um hier zu arbeiten.

Blickt man auf die Bevölkerungsdaten der Statistik Austria, zeigt sich, dass von 2013 auf 2014 rund netto 44.000 Menschen aus dem EU-Ausland zugewandert sind, im Jahr darauf mehr als 50.000, seither geht jedoch der Anstieg zurück. Das hat zwar auch damit zu tun, dass viele Arbeitnehmer aus Ungarn, Rumänien oder Bulgarien recht bald nach der Öffnung des Arbeitsmarktes ihr Heimatland verlassen haben. "Aber natürlich spielt es eine Rolle, wie sich die Arbeitsmarktlage in den Sendeländern darstellt", sagt Ulrike Huemer vom Wifo.

Langzeitarbeitslosigkeit steigt

Ähnlich wie in Österreich spielt auch die demografische Entwicklung in den Nachbarländern eine Rolle. "Auch in Ungarn gibt es eine Alterung der Gesellschaft", sagt IHS-Experte Hofer. In Österreich zeigt sich, dass weniger Jugendliche arbeitslos sind, im März sogar um 6259 Personen - eben auch, weil weniger Jugendliche nachrücken. Wobei auch die Arbeitslosenquote unter den 15- bis 24-Jährigen sinkt. Auf der anderen Seite ist mittlerweile jeder Dritte ohne Job 50 Jahre oder älter. Laut Huemer korrespondiert dies aber auch mit den Beschäftigten, bei denen die zahlenmäßig größte Gruppe jene um 50 Jahre ist.

Ein nachhaltiges Problem ist nach wie vor die Langzeitarbeitslosigkeit, diese steigt weiter an, im März um 9,2 Prozent. Aktuell sind 59.766 Personen seit mehr als einem Jahr ohne Arbeit. Eigentlich sollte ein dynamischer Arbeitsmarkt mit hoher Fluktuation dem entgegenwirken, da ständig Stellen frei werden. Doch nach wie vor ist das Arbeitskräfteangebot so hoch, dass auf eine ausgeschriebene Stelle mehrere Interessenten kommen. Und wer sehr lange ohne Job ist, hat dann geringere Chancen.

Für diese Gruppe hat sich Minister Stöger die "Aktion 20.000" ausgedacht, bei der Langzeitarbeitslose über 50 eine gemeinnützige Arbeit finden sollen. Eine Einigung mit dem Finanzministerium steht hier allerdings noch aus. Wifo-Ökonom Hofer bezweifelt dabei den arbeitsmarktpolitischen Effekt. "Die Maßnahme ist schlecht dazu geeignet, diese Personen wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Als soziale Maßnahme kann es aber wichtig sein."