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Die Atomverhandlungen mit dem Iran kommen nach mehr als zehn Jahren in die alles entscheidende Phase.
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Wien. Der Atomstreit zwischen dem Westen und dem Iran steht knapp elf Jahre nach seinem Ausbruch vor seiner wichtigsten Phase. Nachdem im vergangenen November ein Interimsdeal im Konflikt um die iranische Urananreicherung unterzeichnet wurde, suchen die fünf UN-Vetomächte plus Deutschland (5+1-Gruppe) und der Iran ab dem heutigen Mittwoch in der sogenannten sechsten Wiener Verhandlungsrunde seit Februar auf Ebene der technischen Experten weiterhin einen endgültigen Konsens. Gibt es Fortschritte, sollen nächste Woche die Vizeaußenminister der Konfliktparteien weiterverhandeln und - im Idealfall - die Außenminister dann noch im Juli ein endgültiges Abkommen unterzeichnen. Bis dahin ist es ein steiniger Weg mit großen Hürden.
Die jetzige Runde darf allein schon deswegen als besonders gewertet werden, weil sie erstmals knapp drei Wochen dauern soll. Bis 20. Juli, der Deadline für das Interimsabkommen, gibt es zwei Optionen: Entweder man kann ein endgültiges Abkommen formulieren und den Konflikt beenden oder man verlängert das Interimsabkommen, um Zeit zu gewinnen. Ein Abbruch der Gespräche ist kein Thema. Denn angesichts der Irak-Krise und anderen regionalen Krisenherden, wo Washington und Teheran nolens volens kooperieren müssen, will man zumindest diesen Konflikt lösen.
Grundlage für die Verhandlungen ist die von beiden Seiten als "substanziell und dienlich" bezeichnete letzte Runde im Juni. So ließen die beiden Chefverhandler, der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif und die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton einen Punktekatalog erarbeiten, mit dem man sich schrittweise dem Ziel nähern will.
Worum geht es? Der Iran soll verbindliche und transparente Beweise darlegen, dass sein Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient. Der Westen wiederum verpflichtet sich im Gegenzug, die schmerzhaften Sanktionen gegen Teheran zu lockern und zu suspendieren.
Dies hört sich leicht an, ist in der Umsetzung schwierig. Denn Misstrauen und eine unnachgiebige Hardliner-Regierung unter Mahmoud Ahmadinejad, dem Vorgänger des jetzigen als moderat geltenden Präsidenten Hassan Rohani, schweben noch immer wie eine dunkle Wolke über dem Konflikt. Hinzu kommen die israelfeindlichen Tiraden der iranischen Führung in der Vergangenheit und das angeschlagene Verhältnis zu Washington. Daher ist die Ausgangslage trotz aller optimistischen Töne nicht von vornherein erfolgsversprechend.
Zwar bekräftigten Diplomaten aus Peking, dass die Arbeiten am Textentwurf für das endgültige Abkommen bereits bei der letzten Runde begonnen worden seien. Wie weit die Sichtweisen noch divergieren, beweist das Abschlussstatement Zarifs. "Wir werden keine exzessiven Forderungen der 5+1-Gruppe hinnehmen", warnte er. Es bestünden noch immer Meinungsverschiedenheiten.
Kernpunkte der technischen Expertenmeetings sind die Sicherstellung einer ausschließlich friedlichen Nutzung der Atomenergie durch die iranische Führung, die Schwerwasseranlage in Arak und die Urananreicherung. Außerdem sollen erweiterte Kontrollen in sämtlichen Anlagen (die auch zusätzliches Budget der Internationalen Atomenergiebehörde erfordern) sowie über die Uranmine Gachin fixiert werden.
Die 5+1 wollen sicherstellen, dass der Iran künftig die Urananreicherung auf fünf Prozent beschränkt und keine höhere Anreicherung anstrebt. Gestritten werden wird über die Frage, ob das iranische Waffen- und Raketenprogramm thematisiert wird oder nicht. In der Interims-Vereinbarung vom November steht dieses nicht auf der Verhandlungsagenda. Dennoch bestehen einige westliche Verhandlungsteilnehmer auf der Behandlung des umstrittenen Programms. Zudem bereiten dem Westen die iranischen Zentrifugen Kopfzerbrechen. Teheran wiederum interessiert sich vordergründig für das Tempo der Aufhebung der Sanktionen. Zu diesem Zweck werden von beiden Seiten auch Sanktions- und Bankenexperten anreisen, hieß es aus informierten Kreisen.