)
Sondersitzung zur Wehrpflicht-Debatte mit Folgen. | Ordnungsrufe nach deftigen Sagern im Parlament bleiben ohne Konsequenzen. | Wien. Stefan Petzner ist sauer. In der Nationalratssondersitzung am Freitag habe ihn der FPÖ-Mandatar Harald Stefan des Kindesmissbrauchs bezichtigt, meint der BZÖ-Politiker. Der Hintergrund: Petzner hatte im Plenum betont, dass er Zivildiener war. Darauf rief Stefan dazwischen: "Hoffentlich hast du nichts mit Kindern zu tun gehabt!"
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Außerdem soll Stefan dem Grünen Peter Pilz "Alle in den Gulag" zugerufen haben. Der Freiheitliche bestreitet dies - er habe gesagt: "Ihr Motto ist, alle ab in den Gulag!" Auch habe er mit dem Angriff auf Petzner nur gemeint, kein Blauer wolle Petzner seine Kinder anvertrauen. Wie dem auch sei, einen Ordnungsruf gab es jedenfalls weder für den einen noch für den anderen Zwischenruf.
Dabei sind verbale Entgleisungen gefolgt von Ordnungsrufen im Hohen Haus keine Seltenheit: 63 gab es davon bereits in der seit 2008 laufenden 24. Gesetzgebungsperiode. Besonders die Vertreter der Oppositionsparteien liefern immer wieder knackige Sprüche. So bezeichnete BZÖ-Mandatar Peter Westenthaler im Februar 2009 die Grünen als "parlamentarische Schlepperbande", FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky warf den SPÖ-Abgeordneten im Mai 2009 vor, wie "die drei Affen" dazusitzen. Im November 2009 kassierte Peter Pilz einen Ordnungsruf für den Vorwurf, das Abwehramt agiere mit "Stasi-Methoden".
Faul griff Grosz an - verzögerter Rücktritt
Doch auch die Vertreter der Regierungsparteien lassen sich hin und wieder zu harten Worten hinreißen. Berühmtestes Beispiel der jüngsten Zeit ist hier der SPÖ-Mandatar Christian Faul: "Sie sind für mich im Sternzeichen ein Krokodil: eine große Pappn und ein kleines Hirn", wetterte er im Mai 2009 in Richtung des BZÖ-Abgeordneten Gerald Grosz. Faul, der sich später für diese Aussage entschuldigte, handelte sich zunächst nur einen Ordnungsruf und Rücktrittsaufforderungen des BZÖ ein. Nach einer Debatte um Mehrfachbezüge, einer weiteren verbalen Attacke auf Grosz und einem Handgemenge mit einem Journalisten legte er im August 2010 aber sein Mandat nieder.
Einen unfreiwilligen Rücktritt nach einem Sager im Parlament gab es 1993 auch bei der ÖVP. Paul Burgstaller soll der Grünen Terezija Stoisits im Innenausschuss geraten haben "das Mikrophon in die Hand (zu) nehmen und fest daran (zu) lutschen". Burgstaller bestritt dies zwar, musste aber letztlich aus der Volkspartei austreten.
Benya: "Halts die Goschn da unten"
In die Reihe der eher deftigen Aussagen fällt auch jene Anton Benyas aus 1980. Mit einem Ordnungsruf belegt wurde diese freilich nicht, war doch Benya damals selbst Nationalratspräsident. "Halts die Goschn da unten", erklärte er gut hörbar. Er hatte vergessen, das Mikrofon abzuschalten.
"Bei uns geht es aber noch gesittet zu", meint ein Insider aus der Parlamentsdirektion dazu. In anderen Ländern fliegen da schon ab und zu die Fäuste. So geschehen in England 1969: Dort soll zwar eine gelbe Linie auf dem Boden die Abgeordneten vom "Speaker" fernhalten, damals schaffte es die jüngstdienende Mandatarin Bernadette Devlin allerdings auf die Regierungsseite - und versetzte dem Nordirlandminister eine Ohrfeige. Sie wurde von der Sitzung ausgeschlossen - ein Instrument, das auch andere Staaten kennen.
In Österreich hingegen können Abgeordnete nicht aus der Plenarsitzung geworfen werden - ein Ordnungsruf bleibt prinzipiell folgenlos. Sollte ein Mandatar aber wiederholt gegen die Usancen des Hohen Hauses verstoßen, kann die Präsidentin ihm das Wort entziehen und das Mikrofon abstellen. 1995 wurde dem Grünen Andreas Wabl nach drei Ordnungsrufen das Wort entzogen - er hob darauf die Stimme und setzte seine Attacken gegen ÖVP-Klubchef Andreas Khol fort.
Straf- und zivilrechtlich von Immunität geschützt
Auch sonst haben verbale Ausrutscher nur selten Folgen für die Politiker: Straf- und zivilrechtlich sind alle Aussagen im Plenum oder in den Ausschüssen von der parlamentarischen Immunität voll geschützt. Und politisch führen sie nur selten zu Rücktritten - prominentestes Beispiel ist Jörg Haider, den sein Lob für die "ordentliche Beschäftigungspolitik" des Dritten Reichs 1991 um den Landeshauptmann brachte.
Der Berater Peter Hajek rät den Politikern aber dazu, "ein bisschen mehr Stil walten zu lassen", schließlich hätten sie ja eine Vorbildfunktion. Andererseits hätten die Schreiereien im Plenum oft auch den Charakter von Brot und Spielen: Sager wie etwa jener Benyas gingen als Anekdoten in die Geschichte ein.
Wann ein Ordnungsruf erteilt wird, ist nicht vorgegeben: Jeder Präsident hat eine andere Schmerzgrenze. Laut Barbara Prammer ist die "Verletzung der Würde" des Hohen Hauses die einzige Norm für einen Ordnungsruf. Allerdings gibt es einige Sager, die fast immer ein Einschreiten zur Folge haben - etwa, wenn ein Mandatar einen anderen der Lüge bezichtigt.