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Den Haag - Vor der Parlamentswahl in den Niederlanden am kommenden Mittwoch werden nahezu dieselben Themen erörtert wie beim Urnengang im Mai vergangenen Jahres. Damals hatte der Rechtspopulist Pim Fortuyn das Parteien-Establishment aufgewirbelt, weil es die Wünsche des Volks nicht beachte. Jetzt werben die großen Parteien mit Fortuyns Themen von damals um die Gunst der 12 Millionen Wähler und die 150 Parlamentssitze - viele auch mit neuen Spitzenkandidaten.
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Fast alle fordern, dass Zuwanderer härter angepackt werden und ihre Integration in die Gesellschaft mit viel mehr Druck betrieben wird. Die meisten klagen generell über allzu laxe Anwendung der Gesetze, verlangen mehr Polizei, Richter und Gefängniszellen und treten auch für schärfere Personenkontrollen zu Lasten der Privatsphäre ein. Und allgemein wird kritisiert, dass in finanziell guten Jahren viel zu wenig in Gesundheitswesen, Bildung und in den öffentlichen Verkehr investiert wurde. Angesichts leerer Staatskassen überbieten sich die Parteien jetzt in Versprechungen zum Sparen.
Der christdemokratische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende steht erst seit wenig mehr als einem Jahr an der Spitze seiner Partei. Auch die Liberalen haben ihre Führung ausgewechselt und wählten den als sparsam bekannten früheren Finanzminister Gerrit Zalm an die Spitze. Am deutlichsten fiel die Neuorientierung bei den Sozialdemokraten auf. Wouter Bos wurde erst im November zur Wahllokomotive seiner Partei gewählt. Der einstige Shell-Manager und spätere Finanz-Staatssekretär hat als telegene Persönlichkeit im Zeitalter der Fernsehdemokratie bei den Wählern sichtlich Eindruck hinterlassen.
Nach den täglich veröffentlichten Ergebnissen von Wählerumfragen können diesmal die Sozialdemokraten viele Sitze zurückgewinnen, die sie im Mai verloren haben. Die Bos-Partei soll dicht an die im Aufschwung erstarrten Christdemokraten herankommen, sie vielleicht sogar einholen.
Aus allen Befragungen und erdrückend vielen Debatten führender Parteienvertreter in Fernsehen, Radio und Zeitungen schälen sich derzeit zwei Koalitionsmöglichkeiten heraus. Zum einen könnte eine Mitte-Rechts-Regierung von Christdemokraten und Liberalen entstehen, allerdings unter Mithilfe einer dritten Partei. Zahlenmäßig stabiler wirkt eine Mitte-Links-Koalition von Christ- und Sozialdemokraten. Experten warnen jedoch vor der Aussagekraft der Ziffern. Der Anteil der Unentschlossenen ist noch sehr hoch.
Und dann gibt es noch die Vorstellungen der maßgebenden Politiker. Der Christdemokrat Balkenende will nach eigenem Bekunden am liebsten mit den Liberalen weiter regieren und gern auf die als unzuverlässig erfahrenen Fortuynisten verzichten. Auch die Liberalen sähen am liebsten die Verbindung mit den Christlichen.
Für eine Neuauflage der in den achtziger Jahren praktizierten Kombination von Christ- und Sozialdemokraten kann sich Balkenende nicht erwärmen. Auf ein erstes Koalitionsangebot von Bos reagierte er abweisend. Allerdings schloss er die Tür nicht völlig.