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Große Pläne, keine Details: "Hexer" erntete Gelächter

Von Christa Karas

Wissen

Severino Antinori "wird Magier genannt, aber für die meisten ist er ein Hexer, mehr noch ein Kamikaze-Gynäkologe", schrieb die italienische Tageszeitung "La Repubblica" über den 56-jährigen Spezialisten für künstliche Befruchtungen, der in der Vergangenheit wiederholt für Schlagzeilen sorgte, etwa als er einer 63-jährigen Italienerin zum späten Mutterglück verhalf und einer 58-jährigen Londonerin gar zu Zwillingen. Doch in Washington stieß der italienische Frauenarzt ebenso wie sein US-Kollege Panayiotis Zavos auf den Spott der seriösen Forscher, als sie von ihren Plänen berichteten, noch im November mit dem Klonen von Menschen zu beginnen.


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Den Teilnehmern einer hochrangigen Expertenrunde hatten Antinori und Zavos am Dienstag versichert, über das nötige Wissen zum Klonen zu verfügen. Ihre Ausführungen wurden indessen wiederholt vom Gelächter des Auditoriums quittiert. Weiters hatten die beiden Ärzte der amerikanischen Akademie der Wissenschaften (NAS) zuvor versprochen, alle Details ihres Klon-Programms offen zu legen, vermochten dann aber weder mit Informationen oder Zahlen über ihre Verfahren aufzuwarten. Zavos musste einräumen, "bisher nicht einen menschlichen Klon kreiert" zu haben.

Lediglich Brigitte Boissellier, die wissenschaftliche Direktorin von Clonaids, einem Unternehmen der kanadischen Raelianer-Sekte mit dem expliziten Ziel des Menschen-Klonens, gab auf die Fragen der Experten einige wissenschaftliche Details ihrer Arbeit bekannt.

Die amerikanische Akademie, eine gemeinnützige Organisation namhafter Forscher, hatte die drei Außenseiter der Wissenschaft eingeladen, über den jüngsten Stand ihrer umstrittenen Pläne zu berichten. Die Akademie will im September einen Bericht über das Pro und Contra des Klonens veröffentlichen, der dem amerikanischen Kongress vor seiner endgültigen Entscheidung über ein mögliches Klon-Verbot präsentiert werden soll.

Bereits im Voraus hatten Antinori und Zavos angekündigt, dass sie im November die ersten menschlichen Embryonen klonen wollen und im Jahr 2002 mit dem ersten Klon-Baby der Welt rechnen. Ihren Angaben zufolge arbeitet ihr Team mit 200 unfruchtbaren Paaren zusammen. Ziel sei es, diesen bei der Verwirklichung ihres Wunschs zu helfen, ein Kind zu haben. Zavos leitet eine private Firma, die Produkte und Methoden gegen die Unfruchtbarkeit vermarktet. Jüngsten Zeitungsberichten zufolge will Antinori Zellen aus der Hand von unfruchtbaren Männer entfernen und mit Hilfe deren Erbguts Babys nach dem Dolly-Verfahren klonen.

Allerdings: Beim Klon-Schaf Dolly war nur einer von 277 Versuchen geglückt. Und auf der Redner-Liste der Tagung stand auch dessen Schöpfer, der schottische Klon-Pionier Ian Wilmut, der entschieden gegen das Klonen von Menschen ist und immer wieder vor der hohen Gefahr von Missbildungen gewarnt hat. Weshalb er die Pläne von Antinori und Zavos auch unverhohlen als "in krimineller Weise verantwortungslos" bezeichnet hat.

Der aus Deutschland stammende Biologe und Klonexperte Prof. Rudolph Jaenisch warnte die Akademie zu Beginn der Tagung eindringlich vor "unnormalen" Lebewesen. "Zurzeit gibt es keine Möglichkeit, aus geklonten Embryonen normale Individuen entwickeln zu können", sagte Jaenisch vor dem NAS-Ausschuss. Jaenisch hatte - wie berichtet - erst kürzlich im Wissenschaftsjournal "Science" darauf aufmerksam gemacht, dass geklonte Tiere auch dann oft abnorm sind, wenn sie äußerlich gesund und intakt aussehen. Der Forscher vom Whitehead Institut für Biomedizinische Forschung in Boston entdeckte, dass sich bei den geklonten Tiere die Gene unzuverlässig ein- und ausschalteten.

In einem APA-Interview anlässlich eines Vortrages am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien hatte Jaenisch vor drei Wochen ausgeführt: "Wir erkennen gerade erst, wie groß die Probleme sind, die wir vor Anwendung der Techniken bewältigen müssen. Das Klonieren von Lebewesen ist momentan noch total unsicher. Die wenigsten Embryos überleben. Die überlebenden Tiere sind alle mehr oder minder abnormal. Wir wissen nicht, was das auf lange Sicht bedeutet."

Jaenisch, der für das therapeutische Klonen ist und in diesem Zusammenhang die britische Lösung lobt, vermutet die Schnelligkeit der Abläufe als Ursache für die Instabilität des Erbguts von klonierten Lebewesen und meint sogar: "Es ist ja überhaupt überraschend, dass es manchmal funktioniert." Denn: "Bei unseren Projekten haben wir sowohl technische Probleme als auch ganz fundamentale Mängel in unserem biologischen Wissen."

Ein US-Ehepaar, das im Vorjahr sein totes Baby mit Hilfe von Clonaids-Direktorin Brigitte Boissellier klonen lassen wollte, hat den Auftrag zurück gezogen. Die Begründung: Mit Berichten über ihr umstrittenes Vorhaben sei die der Raelianer-Sekte nahe stehende Wissenschafterin zu einem Medienstar geworden. Nach dem Öffentlichkeitsrummel sei das Projekt, das geheim bleiben sollte, zum Scheitern verurteilt. "Ex-Auftraggeber" Mark Hunt, Anwalt und ehemaliger Abgeordneter im US-Bundesstaat West Virginia, hatte dafür nach eigenen Angaben 500.000 Dollar (570.255 Euro/7,85 Mill. S) in ein Geheimlabor investiert, das Boisselier dort aufbaute. Als die US-Behörden Ende Juni das Labor ausfindig machten, durchsuchten und Dokumente beschlagnahmten, gab er seine Klon-Pläne auf.