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Im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit in der EU fehlt ein Masterplan.
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Berlin/Brüssel. Es ist eine soziale Bombe, die in Europa tickt: sechs Millionen Menschen unter 25 in der EU sind arbeitslos und insgesamt 14 Millionen Jugendliche sind ohne festen Ausbildungs- oder Beschäftigungsvertrag. In Krisenländern wie Spanien oder Griechenland liegt die Jugendarbeitslosigkeit gar bei fast 60 Prozent. Das Bewusstsein, dass diese Bombe so rasch wie möglich entschärft werden muss, ist mittlerweile vorhanden. Es vergeht kaum eine Woche, in der kein europäischer Spitzenpolitiker die Wichtigkeit des Themas betont. Über das "wie" hingegen herrscht noch immer weitgehende Ratlosigkeit.
Vielerorts wird nun um Strategien und Programme gerungen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso erklärte diese Woche im EU-Parlament in Straßburg, dass sich der Ende Juni anstehende EU-Gipfel intensiv mit dem Thema Jugendarbeitslosigkeit beschäftigen wird.
Am EU-Gipfel im Februar hatte die EU bereits eine Jobgarantie für Jugendliche beschlossen. Die Mitgliedstaaten sollen allen EU-Bürgern unter 25 Jahren garantieren, dass sie spätestens vier Monate nach Ende ihrer Ausbildung oder nach dem Verlust ihres Arbeitsplatzes ein Angebot für eine neue Stelle, einen neuen Ausbildungsplatz oder aber zumindest einen Praktikumsplatz erhalten. Zusätzliche Details werden weiter verhandelt, etwa ob die Garantie Personen bis 30 Jahre umfassen soll, wie das Europäische Parlament fordert. Mit einer Umsetzung in den Nationalstaaten - die übrigens nicht verpflichtend ist, da die EU in arbeitsmarktpolitischen Fragen nur Empfehlungen aussprechen kann - soll ab 2014 begonnen werden.
Im Februar wurde zudem vereinbart, aus dem 960 Milliarden Euro schweren EU-Budget-Topf für die Jahre von 2014 bis 2020 sechs Milliarden für Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu verwenden. Viel zu wenig, sagen Kritiker. Erst am Donnerstag forderten etwa die Griechen eine Aufstockung der "verschwindend geringen Summe".
Auch das EU-Parlament zeigte sich am Mittwoch in Straßburg unzufrieden. Von der EU werde diesbezüglich noch viel zu wenig getan, die bisherigen Maßnahmen viel zu langsam umgesetzt.
EU-Parlament fühlt sich von Deutschland übergangen
Ein Masterplan zur Jugendarbeitslosigkeit ist auf EU-Ebene weiterhin nicht in Sicht. EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn sagte am Mittwoch, der kommende EU-Gipfel könne "nicht alle Probleme lösen", aber dafür sorgen, "das Problem der Jugendarbeitslosigkeit" anzugehen.
In der Zwischenzeit treten anderweitige Initiativen auf den Plan. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat für den 3. Juli die Arbeitsminister und Regierungschefs der EU-Länder sowie Experten zu einer großen Konferenz zur Jugendarbeitslosigkeit ins Kanzleramt in Berlin geladen. Unter anderem soll darüber beraten werden, wie diese sechs Milliarden Euro aus dem EU-Topf verwendet werden könnten.
Freunde beim EU-Parlament macht sich Merkel mit diesem Vorstoß aber wohl kaum. Denn: Kein Vertreter des EU-Parlamentes wurde dazu geladen, so der Sprecher der Europäischen Volkspartei (EPP) zur "Wiener Zeitung". "Die Tatsache, dass ein Gipfel von Staats- und Regierungschefs zu einem der wichtigsten aktuellen Probleme - der Jugendarbeitslosigkeit - ohne Einladung an das EU-Parlament erfolgt, ist sehr besorgniserregend", sagt EPP-Sprecher Pedro López de Pablo. Zudem würde man in Berlin über die Initiative zur Jugendbeschäftigung sprechen, die budgetäre Konsequenzen hat. Das EU-Parlament als Haushaltsbehörde der EU habe das letzte Wort in Budgetfragen, erinnert López de Pablo, daher sei es eine "schlechte Idee", das EU-Parlament zu ignorieren. Die vier größten Fraktionen im EU-Parlament "bedauerten" die Nicht-Einladung in einer gemeinsamen Deklaration. Eine Stellungnahme des deutschen Bundespresseamtes war bei Redaktionsschluss noch "in Ausarbeitung".
Neben der Konferenz in Berlin hat Merkel gemeinsam mit der französischen Regierung ein weiteres Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gestartet, das unter dem Namen "New Deal for Europe" kursiert. Die Vorschläge aus Berlin und Paris sollen am beim nächsten Europäischen Rat Ende Juni mit den europäischen Partnern abgestimmt werden.