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Große Reform oder Abschied

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Premier Cameron wirbt bei einer Europa-Tournee für seine Position. Zugleich erhöht die britische Regierung den Druck und droht offen mit einer Austritts-Empfehlung beim geplanten EU-Referendum.


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London. Am ersten Tag offizieller Verhandlungen mit den EU-Partnern über die künftige Rolle Großbritanniens in der Union hat die britische Regierung bereits vor einem EU-Austritt gewarnt - falls ihr die anderen 27 EU-Staaten nicht "ein umfangreiches Reformpaket" gewähren.

Während Premierminister David Cameron am Donnerstag zu einer zweitägigen "Europa-Tournee" aufbrach, um die Verhandlungen einzuleiten, erklärte Außenminister Philip Hammond in London, seine Mitbürger würden sich fraglos für den Austritt entscheiden, wenn die anderen EU-Regierungen nicht gewillt seien, britischen Forderungen nach "echtem Wandel" zuzustimmen. Mit seiner Erklärung suchte der als Euroskeptiker bekannte Außenminister von vornherein Druck auf den Rest der EU auszuüben. Die britische Regierung selbst könne "nicht ausschließen", dass sie einen britischen Austritt empfehlen würde, "wenn unsere Partner nicht mit uns zusammenarbeiten, um so ein Reformpaket zu schnüren", sagte Hammond. Der Minister schob den EU-Partnern auch alle Verantwortung für eine rasche Einigung bei den Verhandlungen zu: "Wir sind in den Händen unserer EU-Amtskollegen", sagte Hammond.

Das neue Gesetz, das das geplante Referendum über die weitere Zugehörigkeit Großbritanniens zur EU regelt, wurde am Donnerstag, nur einen Tag nach der Regierungserklärung, im Eilverfahren im britischen Unterhaus eingebracht. Den Briten wird bei der Volksabstimmung die Frage gestellt werden: "Soll das Vereinigte Königreich Mitglied der Europäischen Union bleiben?" EU-Gegner hatten sich einen anderen Wortlaut gewünscht: "Finden Sie, dass das Vereinigte Königreich Mitglied der Europäischen Union sein sollte?"

Das Referendum muss vor dem 31. Dezember 2017 über die Bühne gehen. Hammond signalisierte allerdings, dass es schon wesentlich früher abgehalten werden könnte. Sollte eine Vereinbarung mit der EU bereits in diesem Winter getroffen sein, könnte eine Referendums-Kampagne "allen Ernstes" im nächsten Frühjahr beginnen und der Volksentscheid im Sommer oder Herbst 2016 stattfinden, sagte Hammond. Im Augenblick habe es aber keinen Zweck, über den Zeitpunkt zu spekulieren.

Premier Cameron hatte am Donnerstag seine Rundreise durch europäische Hauptstädte begonnen, um anderen Regierungschefs und dem französischen Staatspräsidenten seine Position zu erklären. Am Donnerstag gastierte er in Den Haag und Paris. Am Freitag wird er sich in Berlin und Warschau aufhalten. Bei den Gesprächen, meinte Außenminister Hammond, werde Cameron den Partner-Regierungen den Ernst der Lage deutlich machen. Gefragt, ob man in London noch immer auf Vertrags-Änderungen dringe, sagte Hammond, die juristischen Berater der Regierung hätten jedenfalls erklärt, dass es ohne solche Änderungen nicht gehe.

"Eine gefährliche Sache"

Britische Forderungen, mit denen die EU-Partner konfrontiert werden sollen, sind unter anderem der Londoner Wunsch auf ein Opt-out aus der alten EU-Vision "immer engerer Einheit" und die Forderung neuer Veto-Mechanismen für europäische Gesetzesvorlagen durch nationale Regierungen. Darüber hinaus soll der Bezug von Sozialleistungen durch EU-Migranten drastisch eingeschränkt werden.

Dass man sich mit diesen Wünschen im Rest Europas keine Freunde macht, hat die französische Regierung unmittelbar vor Camerons Besuch einmal mehr klargemacht. Das Vorhaben sei "sehr riskant", sagte Außenminister Laurent Fabius am Donnerstag. "Ich finde den Prozess ziemlich gefährlich." Großbritannien würde bei einem Austritt "sicherlich" am meisten verlieren, die Auswirkungen wären aber auch für Europa "negativ".