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Große Weltpolitik im Gemüsefeld

Von Majeda al-Batsh

Politik

Umm Ahmad Halibija kann es nicht fassen, dass ausgerechnet ihr Gemüsefeld zum Schauplatz einer Auseinandersetzung mit weltpolitischer Tragweite wurde. "Wir haben hier Gemüse angebaut, bis die Israelis den Boden beschlagnahmten. Jetzt liegt das Feld beiderseits der Mauer", klagt die 35 Jahre alte Palästinenserin aus dem Dorf El Asariya bei Jerusalem.


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Die "Mauer", das ist die im Bau befindliche Grenzbefestigung, die sich über Dutzende Kilometer am Rande des Westjordanlands entlangschlängelt, um Israel von den Palästinensern zu trennen. El Asarija ist eines der Dörfer, denen der Wall in ganz besonderem Maße zusetzt.

Die Siedlung mit ihren 30.000 Einwohnern liegt gleich hinter Ost-Jerusalem, dem palästinensisch besiedelten Teil der heiligen Stadt. 50 Familien in El Asariya finden sich auf der anderen, der israelischen Seite des Zauns wieder, sagt Mohammed Abu Daamus, der Sprecher des Stadtrats. "Die Mauer wird die Bewegungsfreiheit der Menschen einschränken und soziale wie psychologische Auswirkungen haben." In einer Petition an das Oberste Gericht von Israel machte der Stadtrat geltend, dass der Grenzwall 200 Hektar palästinensischen Bodens der jüdischen Siedlung Maaleh Adumim einverleibt.

Auch für die Menschen auf der anderen Seite wird der Bau das Leben verändern. Ist die Grenzbefestigung erst einmal fertiggestellt, wird sie El Asariya von Jerusalem abtrennen - genauso wie die Ortschaften Abu Dis, Jebel Mukaber, Sawahreh oder Sheikh Saad, die künftig östlich des Zauns liegen werden. Jerusalem liegt auf der anderen Seite, der Bau schlägt auch die palästinensisch besiedelten Stadtteile Ostjerusalems der israelischen Seite zu. "Die Mauer ist eine Katastrophe, sie wird unsere Dörfer und Städte in Gefängnisse verwandeln", fürchtet Daamus.

In Abu Dis, das bisher ein Vorort Jerusalems war, haben israelische Soldaten meterhohe Betonquader über die Verbindungsstraße gelegt, während Arbeiter letzte Hand an den Wall anlegen. Ein Bericht internationaler Geberorganisationen kam im Oktober zu dem Schluss, dass der Bau bisher allein in der Gegend von Jerusalem 85.000 Palästinenser betrifft. Weitere 35.000 werden hinzukommen, wenn die restlichen 18 Kilometer des Abschnitts fertig gebaut sind. Im ganzen Westjordanland werden schätzungsweise 350.000 Palästinenser zwischen die Fronten geraten: Der Wall wird östlich ihrer Wohngebiete verlaufen und sie somit vom Rest des palästinensischen Westjordanlands abschneiden.

Auch in Israel wird das 1,8 Milliarden Dollar (1,45 Mrd. Euro) teure Bauvorhaben abgelehnt, vor allem von der Linken. Der Historiker Tom Segev beurteilt den Grenzwall als "irrationale Reaktion auf den Terror". Er verleihe "einem Panikgefühl der Israelis Ausdruck: Sie glauben, die Araber verschwinden, wenn sie hinter einem Zaun verschwinden". Die Anlage mache "das ganze palästinensische Volk zu Zeitbomben". Nach Einschätzung von Avi Dichter, der den Inlandsgeheimdienst Shin Beth leitet, hat das Bauwerk seinen Sinn bereits unter Beweis gestellt. Es habe schon viele Menschenleben gerettet, weil es Attentäter zurückgehalten habe.