Lösung im Atomstreit bis Sommer avisiert - Irans Wirtschaft erholt sich nur schleppend.
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Teheran/Wien. Die Sonne schien auf das Wiener Palais Coburg und auch im Inneren des Gebäudes strahlten die hochrangigen Gäste. Die Chemie zwischen dem iranischen Außenminister Mohammad Javad Zarif und der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton stimmt, der Wille zur Kooperation ist da und der Gordische Knoten im Atomstreit scheint zu lösen zu sein. Auch wenn sich die beiden der iranischen Tradition wegen nicht die Hand geben dürfen: Geschenke werden ausgetauscht, es wird gemeinsam gegessen, ständig telefoniert: Die Atmosphäre bei der dritten Runde der Atomgespräche zwischen dem Westen und dem Iran am Dienstag und Mittwoch in Wien ist betont herzlich, und beide Seiten geben sich "vorsichtig optimistisch", bis zum Sommer eine endgültige Lösung im zehn Jahre andauernden Streit um das iranische Nuklearprogramm zu erzielen. Diesmal würden auch Dinge angesprochen, die bisher noch nicht thematisiert wurden, betonte Zarif vor Journalisten. "Es ist nun so weit, dass wir an einem Punkt angekommen sind, wo beide Seiten mit einer gewissen Ernsthaftigkeit und einem Erfolgsdruck intensiv daran arbeiten, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Daher ist es mit großer Anstrengung durchaus möglich, das Problem zu beheben", sagte eine europäische Diplomatin der "Wiener Zeitung".
Ab dem Monat Ordibehesht, der am 21. April beginnt, sollten die konkreten Arbeiten am Entwurf für ein finales Papier über das Atomprogramm beginnen, unterstrich auch Zarif am Dienstag in Wien. Zuvor war er - mittlerweile fast schon Tradition - am Montagabend zu einem Arbeitsessen mit Ashton, die die sogenannten 5+1-Gespräche (fünf UN-Vetomächte plus Deutschland) leitet, zusammengekommen.
Nach dem Interims-Deal vom November, der dem Regime in Teheran einige Sanktionslockerungen und dem Westen mehr Kontrollen der iranischen Atomanlagen sowie das Versprechen brachte, dass die Islamische Republik keine Urananreicherung mehr über fünf Prozent betreibt, soll der Zwist ein für alle Mal beigelegt werden.
"Viel versprochen,wenig gehalten"
"Die Vorzeichen für eine Einigung sind in den vergangenen zehn Jahren nie besser gestanden, auch wenn Hardliner im Iran und in den USA noch einige Vorbedingung haben und einige Steine in den Weg legen wollen. Ashton, die ihr Amt in wenigen Monaten abgibt, will sich im Atomstreit profilieren und noch in ihrer Amtszeit eine Lösung herbeiführen. Die iranische Regierung steht ebenfalls unter Erfolgsdruck, denn die Iraner werden angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage zunehmend ungeduldiger.
Worum geht es? Der Deal soll sicherstellen, dass der Iran nicht nach Nuklearwaffen strebt. Im Gegenzug will der Westen die für Teheran schmerzlichen Wirtschaftssanktionen schrittweise zurückfahren.
"Rohani und Zarif hatten seit August sehr viel versprochen und nur einen Bruchteil eingehalten. Die iranische Wirtschaft erholt sich nach dem Zwischenabkommen nur sehr schleppend und erste Zweifel kommen auf, ob Rohani das Land wirklich auf Vordermann bringen kann", meinte ein Politologe aus Teheran, der aus Angst vor Repressalien nicht namentlich genannt werden wollte, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Das einjährige Amtsjubiläum des als moderat geltenden 65-jährigen Klerikers Rohani rücke näher und seine bisherige Bilanz lasse noch zu wünschen übrig. Zwar stimme es, dass er durch sein ewiges Lächeln und seine Außenpolitik beim Westen gepunktet habe. Doch die Zahl der Hinrichtungen im Iran sei rasant angestiegen, und auch die erhoffte Verbesserung des Alltagslebens sei noch nicht eingetreten, so der Experte weiter, der auf die horrenden Preise für Grundnahrungsmittel verweist.
Österreich als wichtiger Brückenbauer
Eine besondere Rolle kommt Österreich bei den Atomgesprächen zu. Nicht nur, dass die Gespräche nun in Wien stattfinden, nimmt Österreich aus iranischer Sicht einen besonderen Stellenwert als Brückenbauer zur EU ein. Österreich hat traditionell gute Beziehungen zu Teheran. Österreich ist das einzige Land in der Europäischen Union, das in den vergangenen Jahren regelmäßig den iranischen Außenminister nach Wien einlud. Zudem gilt das österreichische Kulturforum in Teheran, ebenfalls ein Unikum, als Prestigeprojekt für die Belebung der bilateralen Beziehungen.
Außenminister Sebastian Kurz, der in der jüngsten Vergangenheit gemeint hatte, dass es eine "Ehre sei, dass die Atomgespräche in Wien stattfinden würden", betont aber gleichzeitig, dass er vor allem das Thema Menschenrechte ansprechen will. Ende April will der ÖVP-Minister für zwei Tage in den Iran reisen, um eine Reise von Bundespräsident Heinz Fischer vorzubereiten. Fischer wäre seit 2005 der erste europäische Staatschef, der der Regierung in Teheran einen Besuch abstattet.