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Größer, höher, grüner?

Von Aline Schröder

Politik

Die EU stellt die Einspeisetarife für Europa infrage, das Ökostromgesetz bleibt aber mindestens bis 2022 unverändert.


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Kittsee/Brüssel. Ratternd bewegt sich der Aufzug nach oben. 30, 50, 100 Meter klettert der kleine Metallkäfig im Inneren des Windkraftwerks empor und gibt den Blick auf die nicht enden wollende Leiter frei, die er ersetzt. Oben angekommen, stößt Christoph Großsteiner, Geschäftsführer des Windparks Kittsee, die Luke im Dach der Gondel auf. Sichtbar werden die sonnenumstrahlten Rotorblätter, deren rot-weiß gestreifte Spitzen 150 Meter über dem Boden schweben. Das 1,8 Megawatt starke Kraftwerk ist nicht das einzige hier in Kittsee im Burgenland. So weit das Auge reicht, drehen sich Rotorblätter in den blauen Himmel hinein, unter sich die quadratisch zugeschnittenen, braun-grünen Felder. "Es ist schon spannend, dass dieses Kraftwerk hier ein kleines Dorf versorgen kann", sagt Großsteiner, der das Projekt der Firma "oekostrom" von der Planung bis zur Fertigstellung begleitet hat.

Windkraft gilt bekanntlich als saubere, nachhaltige Energieform und nimmt im Angesicht des Klimawandels den Platz eines Hoffnungsträgers ein. Alleine in Europa soll die Windkraft im Jahr 2020 mit 18 Prozent an der europäischen Stromproduktion beteiligt sein und wird stark gefördert. Derzeit liefert sie 8 Prozent des Strombedarfs. Was aber kann die Windkraft wirklich leisten und was nicht? Ist sie die Antwort auf die Energiefrage?

Windkraft im Förderdschungel

Die Windenergie hat im Laufe der Zeit ihre Gestalt verändert. Waren es in den 1980er Jahren noch vereinzelte Visionäre, die mit aller Kraft gegen Atom- und Kohlestrom kämpften, so treten heute große, teils global agierende Unternehmen für die grüne Energieform ein. Trotz aller Weltrettungsversprechen haben diese oftmals mit erzürnten Bürgern zu kämpfen, die sich gegen ein Windrad vor ihrem Fenster wehren. Die Branche selbst möchte indes wie es scheint weiterhin als David gesehen werden, der sich im Kampf mit dem Goliath der fossilen Energieerzeuger befindet und den Weg zu einer grünen und umweltverträglichen Energiegewinnung ebnet.

Fakt ist, dass die Förderungen der EU für Atomkraft mit 35 Milliarden Euro und mit 26 Milliarden für fossile Energieträger 2011 noch immer weitaus höher ausfielen als die für den Sektor der erneuerbaren Energien, der 30 Millionen Euro an Förderungen erhielt. Auch sind die Förderungen oftmals intransparent. Zusätzlich sorgte Ende September für Aufruhr, dass die EU-Kommission grünes Licht für den Atomkraftwerksbau "Hinkley Point C" in Großbritannien gab. Der erste AKW-Neubau in Europa seit der Katastrophe von Fukushima soll weitreichende staatliche Subventionen und eine auf 35 Jahre garantierte Einspeisevergütung erhalten, bei der die Produzenten den Strom um einen im Voraus festgelegten Preis pro Kilowattstunde ins Stromnetz einspeisen. Brisant ist die Bewilligung dieser Förderung nicht nur wegen der Gefahren von Atomenergie. Die Kommission hat dauerhaft gewährte Einspeisevergütungen für erneuerbare Energien verboten. Stattdessen sollen ab 2017 nur noch Ausschreibungen zulässig sein, welche die günstigsten Bewerber auswählen. "Dass diese Vorgangsweise nicht funktioniert, haben bereits zahlreiche Fälle in Europa bewiesen", sagt Martin Fligenschnee-Jaksch von der IG Windkraft, welche die wichtigsten Akteure der österreichischen Windbranche vertritt. Die Förderung in Form der Einspeisevergütung, sei ein gut erprobtes System und führe zu einem stabilen Ausbau der Windkraft. Auch Lars Velser vom Bundesverband Windenergie Deutschland meint, die Ausschreibungen werden Arbeitsplätze und die Chancen von mittelständischen Unternehmen gefährden. Denn um überhaupt an einer Ausschreibung teilzunehmen, muss ein Betreiber am potenziellen Standort weitreichende Untersuchungen durchführen, die bis zu 400.000 Euro kosten können. Nur eine große Betreiberfirma kann sich eine solche Vorinvestition leisten.

Natürlich stellt auch die Windkraft alleine keine wundersame Lösung für das Energieproblem der Welt dar. Der Wind ist ein unzuverlässiger Partner, und um die erhofften Windgeschwindigkeiten von 7-8 Meter pro Sekunde zu erreichen, müssen die Betreiber sehr hoch bauen und das oftmals in Gebieten, die andere als schützenswert erachten. In ganz Europa haben sich Windkraftgegner zu lokalen Bürgerinitiativen zusammengeschlossen. Ihre Argumente, wie im Fall der Initiative "Windstill" im Innviertel, umfassen die Zerstörung von Wäldern, Gesundheitsschäden und Wertminderung von Grundstücken. Es gäbe vor allem Probleme in Gemeinden, die bis dahin noch keine Erfahrung mit Windkraft gemacht haben, sagt Patrick Scherhaufer, Leiter von "Transwind", einem Projekt an der Universität für Bodenkultur Wien, das die Akzeptanz von Windkraft durch die Bürger untersucht. "Die Vorbehalte gegen Windkraft sind vielfältig. Auch Neid innerhalb der Gemeinden kann ein Grund sein - der Naturschutz wird oftmals nur vorgeschoben". Die Betreiber unterlägen sehr strengen Regelungen und die Naturverträglichkeit werde ausführlich geprüft. Auch in Deutschland, dem europäischen Musterknaben bei der Förderung von Windkraft, gibt es zahlreiche Bewegungen gegen Windräder. Bei der Planung seien teilweise Fehler gemacht worden, sagt Lars Velser vom Bundesverband Windenergie. Es komme vor allem auf die Einbindung der Bürger und auf die Kommunikation mit ihnen an. Kompromisse könnten der Akzeptanz zuträglich sein, so sagt auch Schaerhaufer: "Es müssen nicht alle Windräder ganz hoch sein." Ob die Betreiber dazu bereit sind, ist fraglich. Mit der heute üblichen Gesamthöhe von 150 Metern sei das Ende bestimmt noch nicht erreicht, sagt Christoph Großsteiner von oekostrom.

Belastung in Österreich

In Österreich decken 958 Windkraftanlagen circa 7 Prozent des Strombedarfs, das heißt, über eine Million Haushalte können mit Windstrom versorgt werden. Es könnten jedoch noch um einige mehr sein, wie eine Studie des Vereins Energiewerkstatt und der IG Windkraft zeigt. Dass es noch nicht so weit ist, liegt vor allem an den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. So vertreten nicht alle Bundesländer eine solch windkraftfreundliche Haltung wie das Burgenland. In Niederösterreich und der Steiermark wurde der Ausbau durch restriktive Zonierungspläne stark eingeschränkt. Daneben kämpfen die Betreiber in Österreich mit weitaus höheren Belastungen als in anderen EU-Ländern. Von einer "Binnendiskriminierung" spricht Markus Winter von "Simonsfeld", einem der größten österreichischen Windstromproduzenten. In keinem anderen europäischen Land müsse der Betreiber Netznutzungskosten bezahlen. Rechnet man die Ausgleichsenergiekosten für zugekaufte Energie und Netzverlustkosten hinzu, sei die Kilowattstunde mit 1,6 Cent belastet. Bei einem Grundstrompreis von 3,5 Cent ist das viel. "Das sind hausgemachte Probleme", sagt Winter. Die Politik müsse eingreifen und bessere Rahmenbedingungen schaffen.

Bessere Bedingungen herrschen für die Windkraft in Deutschland. "Die Ausbauzahlen bestätigen das EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) als das beste in Europa", sagt Lars Velser. In Deutschland werden fast zehn Prozent des Stromverbrauchs durch Windkraft gedeckt. Wird in Österreich ein Windkraftwerk neu errichtet, so wird es 13 Jahre mittels einer Einspeisevergütung von 9,3 Cent pro Kilowattstunde gefördert. In Deutschland sind es nur 8,6 Cent - dafür dauert die Förderung aber 20 Jahre. Dies entspricht der durchschnittlichen Lebensdauer eines Windkraftwerks und erhöht die Planungssicherheit. In Österreich besteht nach Auslaufen der Förderung die Gefahr, dass Anlagen bereits nach 13 Jahren abgerissen werden, um erneut die Einspeiseförderung zu erhalten.

Die derzeitigen Leitlinien der EU-Kommission stellen den Fortbestand der Einspeisetarife in ganz Europa infrage. Das österreichische Ökostromgesetz 2012 könnte die Regelung allerdings bis 2022 unbeschadet überstehen, da sie für zehn Jahre von der Kommission bewilligt wurde. Um das zu erreichen, dürfen bis 2022 keine Änderungen vorgenommen werden, die eine erneute Überprüfung des Papiers nach sich ziehen würden. Diese Entscheidung liegt beim Wirtschaftsministerium. "Da Windkraft sinnvoll ist, gehen wir davon aus, dass wir die Politiker davon überzeugen werden", sagt Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft.

Windkraftwerke verändern die Landschaft, in der sie aufgestellt werden. Es mag sein, dass diese ohne die Kolosse schöner wäre. Die Befürchtung, Windkraftwerke könnten schließlich zu Abertausenden das Land überziehen, ist indes unbegründet. Die Windkraft kann nur mit der flexiblen Ergänzung durch andere Energieträger, wie Wasserkraft, Solarenergie und Biogas bestehen. Etwa 25 bis 30 Prozent des Stromverbrauchs könnte die Windkraft in Österreich letztendlich decken, so die IG Windkraft. Das wird jedoch noch mindestens bis zum Jahr 2030 dauern.