Kein OECD-Land wächst so schnell wie die Türkei. | OMV baut 870-MW Kombi- Gaskraftwerk. | Samsun. Am Ende war es gar kein Spatenstich. Als die Feier zum Baubeginn des OMV-Gas-Kombikraftwerks in der Nähe der nordtürkischen Schwarzmeer-Hafenstadt Samsun zu ihrem Höhepunkt gelangte, wurde auf einen Knopf gedrückt. Und das von drei Ministern, einem Gouverneur und einem Bürgermeister. Aus den Lautsprechern tönten bombastische E-Geigen-Klänge, und dazu gab es in die Luft geschossene bunte Papierschlangen.
Doch an und für sich war die Feier durch den Baufortschritt überholt, erklärte OMV-Generaldirektor Wolfgang Ruttensdorfer. So sah er sich in seiner Hoffnung gestärkt, dass das Kraftwerk im Jahr 2012 in Betrieb gehen könnte. Von Terme aus, dem Ort, wo einst der Legende nach der Wohnsitz der kämpferischen Amazonen war, sollen in Zukunft drei Prozent des türkischen Strombedarfs gedeckt werden. 600 Millionen Euro investiert die OMV - die die Türkei seit als ihren dritten Kernmarkt definiert - in das Kraftwerk mit einer Leistung von 870 Megawatt.
Und es sei die richtige Entscheidung gewesen, befand der türkische Energieminister Taner Yildiz. Die Türkei sei ein politisch stabiles Land mit einer wachsenden Wirtschaft.
Wachstumsssieger
Mit einem erwarteten BIP-Wachstum von mehr als sechs Prozent ist die Türkei heuer Rekordhalter unter den Staaten der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Davon profitiert auch Österreich. Im ersten Halbjahr 2010 stiegen die österreichischen Exporte um ein Drittel auf 468 Millionen Euro.
Das ökonomische Potenzial strich auch der österreichische Außenminister Michael Spindelegger hervor. Die wirtschaftliche Kooperation der beiden Länder werde immer intensiver. Immerhin befindet sich Österreich mittlerweile seit Jahren unter den zehn größten ausländischen Investoren in der Türkei.
Wo Atatürk im Jahr 1919 seinen Befreiungskampf begonnen hat, setzt Österreich zur "Eroberung" des zukunftsträchtigen Absatzmarktes rund um das Schwarze Meer an. Spindelegger eröffnete neben einem neuen Honorarkonsulat und einer Österreich-Bibliothek an der Hochschule in der 1,2 Millionen-Einwohner-Stadt auch eine Baumax-Filiale, die mit 14.000 Quadratmetern Verkaufsfläche ihre einheimischen und internationalen Pendants in den Schatten stellt. Mittelfristig will die österreichische Baumarktkette, die vor allem das Know-how türkischstämmiger Österreicher nützt, 30 Filialen in der Türkei betreiben und dort einen Umsatz von 600 Millionen Euro erreichen. Angesichts der wachsenden Mittelschicht in der Türkei boomt der Heimwerkersektor, viele Männer entdecken das Heimwerken als Hobby, erzählte der stellvertretende österreichische Handelsdelegierte in Ankara, Christian Maier.
Handelsdelegierter Konstantin Bekos wies darauf hin, dass die Türkei noch großes Potenzial für die österreichische Wirtschaft biete. Viele Unternehmen kämen nämlich auch aufgrund von festsitzenden Vorurteilen "gar nicht auf die Idee, in die Türkei zu gehen". Möglichkeiten sieht Bekos vor allem in den Bereichen Umwelttechnik, erneuerbare Energie oder auch bei der Ausstattung von Wintersportzentren. Bekos zog einen Vergleich zu seinem bisherigen Einsatzort Slowakei. Dort gebe es 1600 österreichische Unternehmensniederlassungen, verglichen mit erst knapp 150 in der Türkei.
Die Schwarzmeer-Region mit ihren 140 Millionen Einwohnern und großem Wirtschaftspotenzial gilt als Zukunftsmarkt für die österreichische Wirtschaft. Samsun liegt nicht nur im Zentrum der Region, Österreich knüpft dort auch an eine reiche geschichtliche Tradition an: Schon die Donaumonarchie unterhielt eine diplomatische Vertretung in der Schwarzmeerstadt, der Bildhauer Heinrich Krippel schuf in den 1920er Jahren die Reiterstatue Atatürks im Stadtzentrum.