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Volkswirtschaftliche Schäden in der Höhe von einer Milliarde Euro: Das befürchtet Finanzminister Karl-Heinz Grasser als Auswirkung der von Niederösterreich beschlossenen Steuer auf Handymasten.
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Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" geht der Finanzminister massiv auf Distanz zu der von Niederösterreich beschlossenen Steuer auf Handymasten. Er sei schon im Grundsatz gegen jede neue Steuer. Hier komme ein zweites Motiv der Ablehnung hinzu: "Denn es wird eine Zukunftstechnologie besteuert." Das schade dem Standort Österreich sehr und sei besonders kontraproduktiv.
Grasser fürchtet im internationalen Image Österreichs eine Konterkarierung der "klaren Signale der Entlastung, die die jüngste Steuerreform ausgesandt hat, und die auch Wachstumssignale ausgelöst hat".
Er sieht den Ausbau von Breitbandleitungen und der Infrastruktur in ländlichen Regionen bedroht. "Investitionen in einem Wert, der eine Milliarde Euro übersteigen kann, werden nicht stattfinden." Niederösterreich habe sich zuwenig Gedanken über die volkswirtschaftlichen Wirkungen der Steuer gemacht.
Auf die Frage, wann er von den niederösterreichischen Steuerplänen erfahren habe, antwortet Grasser: "Drei Tage vor Beschlussfassung." Im Gegensatz dazu seien bei der letzten Steuerreform des Bundes die Landeshauptleute intensiv eingebunden gewesen.
In Hinblick auf die gesundheitspolitischen Aspekte sowie auf die Auswirkungen für die Ortsbildpflege empfahl Grasser einen Dialog.
Lob und Kritik für Blair
Der Finanzminister befasste sich in dem Gespräch mit der "Wiener Zeitung" auch intensiv mit den zahlreichen Rückschlägen auf dem Gebiet der europäischen Einigung. Grasser kritisierte den britischen Premier Tony Blair deutlich, gab ihm aber auch "in einem wesentlichen Punkt recht".
Bedauerlich sei es jedenfalls, dass Europa nach den zwei fehlgeschlagenen Verfassungs-Referenden nun auch in der Finanzfrage keine Handlungsfähigkeit gezeigt habe. Der luxemburgische Ministerpräsident Juncker und Bundeskanzler Schüssel hätten sich als Mediatoren zwar sehr darum bemüht. Es wurde aber keine Einigung erzielt.
"Großbritannien ist einst arm gewesen. Deswegen hat es den Rabatt bekommen." Aber heute solle es, so Grasser, für die Kosten der Erweiterung mitzahlen. Dennoch sei der britische Premier nicht einmal bereit gewesen, seinen Rabatt einzufrieren. Er habe auch einer Reduktion des künftigen Beitrags auf einem höheren Niveau als heute nicht zugestimmt. Grasser: "Es geht da um knallharte Interessen."
Blair habe, so analysiert Grasser weiter, in seiner wegen des Rabatts bedrängten Situation klug und populär eine offensive Strategie gewählt, indem er die Landwirtschaftspolitik der Union zum Thema gemacht hat. Grasser hält aber Blairs Attacken auf die Agrarausgaben für übertrieben: "Man sollte zuerst die Realität sehen: Die Landwirtschaft ist eine vergemeinschaftete Politik; Forschung und Entwicklung sind das nicht." Auf nationaer Ebene tue man viel mehr für den Forschungsbereich. Das Finanzministerium habe eben mit einer Studie begonnen, die die Summe aller europäischen und nationalstaatlichen Ausgaben für die Bereiche Forschung und Landwirtschaft vergleichen soll.
Grasser gibt aber - vor dem Hintergrund der neuen unerfreulichen Arbeitsmarktdaten - "in einem wesentlichen Punkt Blair recht: Wir können uns mit 20 Millionen Arbeitslosen in der EU nicht abfinden." Da geschehe zu wenig, obwohl Forschung, Entwicklung oder Infrastruktur seit Lissabon Schwerpunkte seien.
Der Minister will aber "nicht polarisieren". Es gehe um ein Sowohl als auch. Esgehe auf der einen Seite um die Erhaltung des ländlichen Raums, auf der anderen Seite sei jede Verschiebung zu mehr Forschung und Entwicklung richtig. Dazwischen sei Kompromissbereitschaft nötig.
Ob es nicht unnatürlich sei, dass die Landwirtschaft ständig von Subventionen auf Kosten anderer abhängig sei? Grasser: "Die Landwirtschaft ist kein ganz normales Feld der Marktwirtschaft." In einem globalen Wettbewerb sei Österreichs Landwirtschaft nicht mehr konkurrenzfähig. Dieser würde ein neues Bauernsterben mit gravierenden Folgen für die Familien und den ländlichen Raum, also auch für die naturnahe Landwirtschaft, auslösen.
"Die Frage ist immer nur: Was kostet es? Denn man kann jede Menge an Reformen in der Landwirtschaft machen, etwa Förderungen nach der Größe degressieren. Größere Bauern würden pro Hektar weniger bekommen als kleine." Landwirtschaftspolitik sei zwar ein Teil der Sozialpolitik. "Aber es ist ein klares Commitment nötig, dass sich die Schwerpunkte verschieben." Das sei für die Zukunft der Arbeitsplätze nötig.