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Großer Wirbel um kleine Dienste

Von Marina Delcheva und Jan Michael Marchart

Politik

Asylwerber sollen legal kleine Dienstleistungen verrichten dürfen. Von einer Arbeitsmarktöffnung will aber niemand etwas hören.


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Wien. Ein bisschen Hecke schneide, Rasenmähen für ein paar Euro, beim Entrümpeln helfen - als Asylwerber ist das alles gar nicht so einfach. Zumindest nicht legal. Geht es nach Sozialminister Alois Stöger, sollen Asylwerber, also jene, die noch im Asylverfahren sind, zum Dienstleistungsscheck (siehe Kasten) zugelassen werden. Per Verordnung sollen Flüchtlinge nach drei Monaten im Verfahren über den Dienstleistungsscheck einfache Arbeiten bis zur Geringfügigkeitsgrenze verrichten können.

"Es ist keine Arbeitsmarktöffnung, sondern ein erster Schritt in Richtung Arbeitsmarkt und Integration", sagt Nikolai Moser, Sprecher des Sozialministers. Ins Rollen hat die Diskussion die Caritas-Nachbarschaftshilfe in Vorarlberg gebracht. Im Rahmen des Projekts konnten Asylwerber die letzten 23 Jahre stundenweise vier Euro pro Stunde dazu verdienen, etwa als Hilfskraft im Garten oder im Haus. Finanziert wurde das über Spenden an die Caritas durch die Haushalte, die die Dienste der Flüchtlinge nutzten.

Vergangene Woche wurde das Projekt allerdings von Sozialministerium und Finanzpolizei abgedreht, weil es gegen das Lohn- und Sozialdumpinggesetz verstoße. Der Dienstleistungsscheck sei nun eine gute und legale Möglichkeit, Asylwerber frühzeitig einzubinden und mit Österreichern in Kontakt zu bringen, so Moser.

ÖVP ist skeptisch

Ganz neu ist der Vorschlag nicht. Ende April dieses Jahres haben die Sozialpartner beim Integrationsgipfel der Regierung ein Papier mit einer Reihe von Integrationsmaßnahmen für Flüchtlinge überreicht. Darunter: Jugendliche Asylwerber mit einer hohen Anerkennungswahrscheinlichkeit sollen zu allen, nicht nur zu Mangel-Lehrberufen, zugelassen werden. Nach sechs Monaten sollen zudem Flüchtlinge nach dem Erstatzkraftverfahren zum Arbeitsmarkt zugelassen werden, wenn das AMS keinen geeigneten Bewerber für eine Stelle finden kann. Und eben die Öffnung zum Dienstleistungsscheck. "Wir stehen diesem Vorschlag jetzt natürlich positiv gegenüber", sagt Erich Foglar, Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB). Auch die Wirtschaftskammer (WKO) sieht das Vorhaben positiv. Gezeichnet ist das Maßnahmenpapier vom ÖGB, der Arbeiterkammer, der Industriellenvereinigung und von der WKO.

Wenig begeistert ist die ÖVP von Stögers Vorstoß. Die Maßnahme sei ein "falsches Signal" und würde den Anschein einer Arbeitsmarktöffnung für nicht anerkannte Flüchtlinge erwecken, hieß aus dem Büro von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zur APA. Die FPÖ warf dem Sozialminister vor, Arbeitsmarktpolitik "nur für Ausländer" zu machen.

Herumsitzen ist gefährlich

Von einer Arbeitsmarktöffnung will man aber auch beim ÖGB und im Sozialministerium nicht sprechen. Mit aktuell knapp 320.000 Arbeitslosen ist die Lage ohnehin angespannt, und eine generelle Öffnung für Asylwerber hätte vor allem politische Brisanz. "Wir haben jetzt schon viel zu viele Arbeitslose, und 20.000 davon sind anerkannte Flüchtlinge", so Foglar. Auch in der WKO lehnt man einen Öffnung des Arbeitsmarktes ab. Die Leiterin des Bereichs für Migration und Globalisierung an der Donauuniversität Krems, Gudrun Biffl, sieht die Idee, Asylwerber zum Dienstleistungscheck zuzulassen, positiv, "auch wenn es bisher nicht unbedingt ein erfolgreiches Integrationsinstrument war". Der Dienstleistungsscheck wurde bisweilen nur von einer kleinen Gruppe genutzt, hier sieht Biffl für Asylwerber eine reelle Chance, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.

Für die Wirtschaftsforscherin wäre auch eine Arbeitsmarktöffnung für Asylwerber wiederum positiv. "Wenn sie anerkannte Flüchtlinge sind, haben sie ohnehin den vollen Zugang - das Problem wird derzeit nach hinten verschoben." Durch die Öffnung entstehe zweifellos eine Konkurrenzsituation mit weniger gebildeten Österreichern und Leuten mit Migrationshintergrund. "Darauf kann die Politik aber offensiv mit Weiter- und Umbildungsmöglichkeiten antworten", sagt sie.

Mit einer Öffnung des Arbeitsmarktes gebe man den besser gebildeten Flüchtlingen die Möglichkeit, früher arbeiten zu können und nicht das lange Asylverfahren abzuwarten. "Wenn sie nur herumsitzen und warten, kann das gefährlich werden. Es hat auch einen Sicherheitsaspekt, dass diese Menschen ehestmöglich einen eigenen Beitrag leisten können." Die Zulassung zum Sicherheitscheck sei ein Anfang.

Dienstleistungsscheck

(sir) Der Dienstleistungsscheck ist im Jahr 2005 unter der schwarz-blauen Regierung beschlossen und Anfang 2006 eingeführt worden. Dabei reklamierten fast alle Parteien die Idee für sich: Die FPÖ nannte den Scheck eine "uralte freiheitliche Forderung", die SPÖ hatte das Konzept unter Alfred Gusenbauer zwei Jahre davor mehrfach präsentiert, der zuständiger Minister war damals Martin Bartenstein von der ÖVP.

Der Scheck ist der pragmatische Versuch einer Legalisierung von einfachen Hilfstätigkeiten im Haushalt, die in der breiten Bevölkerung vornehmlich schwarz geleistet werden, darunter fallen etwa Reinigungsarbeiten im Haushalt, Babysitten, leichte Gartenarbeiten und Nachhilfe. Die Arbeitnehmerinnen sind durch den Scheck unfallversichert, zudem stellt diese Form der Diensttätigkeit keinen Gesetzesbruch dar.

Der Scheck muss zuerst vom Arbeitgeber gekauft nach erbrachter Dienstleistung vom Arbeitnehmer eingelöst werden. Erworben werden kann er beispielsweise in Trafiken sowie seit einigen Jahren auch online, eingereicht werden muss er dann beim DLS-Kompetenzzentrum in Graz oder online. Die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau wickelt den Scheck ab. Voraussetzung für die Einlösung des Schecks ist eine aufrechte Arbeitserlaubnis, was bei Asylwerbern nicht der Fall ist. Pro Monat dürfen Schecks in maximaler Höhe von 569,48 Euro in Rechnung gestellt werden.

Ein rasender Erfolg war der Dienstleistungsscheck bisher nicht gerade, allerdings steigt die Akzeptanz seit 2006 kontinuierlich. Zwar werden nach Schätzungen weiterhin rund 90 Prozent der vom Scheck umfassten Tätigkeiten schwarz geleistet, von rund einer Million Euro Umsatz im ersten Jahr stieg die Summe der verkaufen Schecks im Vorjahr auf 7,8 Millionen Euro, 296.665 Schecks wurden verkauft.