Kocher fällt ein fusioniertes Ministerium zu, Totschnig wird Landwirtschaftsminister. Neu im Team sind zudem zwei Staatssekretäre.
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Er wolle die am Montag bekannt gegebenen Rücktritte von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (beide ÖVP) nutzen, um nicht nur Personen auszutauschen, sondern eine größere Regierungsumbildung vorzunehmen. Das sagte Bundeskanzler Karl Nehammer, der beim Parteitag am Samstag auch offiziell zum ÖVP-Chef gewählt wird, am Dienstag in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Die Nachfolger der scheidenden Ministerinnen und zwei neue Staatssekretäre stellte Nehammer da auch gleich vor - allerdings noch in deren Abwesenheit.
Die Wirtschaftsagenden von Schramböck wandern demnach zu einem, der im Jänner vergangenen Jahres selbst neu ins Regierungsteam gestoßen ist: Arbeitsminister Martin Kocher wird künftig einem größeren Ministerium vorstehen, in dem Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite bezüglich politischer Zuständigkeiten zusammengeführt werden. Dazu soll Bundespräsident Alexander Van der Bellen "zeitnah" auch drei neue Regierungsmitglieder angeloben: Neuer Landwirtschaftsminister wird Norbert Totschnig. Der 47-jährige Osttiroler ist aktuell Direktor des ÖVP-Bauernbundes - und schlägt mit der Beförderung ins Landwirtschaftsministerium einen recht typischen Karriereweg für Träger dieser Funktion ein.
Unruhe vor Parteitag am Samstag
Neu ins türkise Team kommen zwei weitere Staatssekretäre: Die Zuständigkeit für Tourismus soll vom Landwirtschaftsressort ins neue Arbeits- und Wirtschaftsministerium wandern. Weil Kocher dort ohnehin mit recht großen Anforderungen betraut sei, wie Nehammer sinngemäß ausführte, werde ihm Susanne Kraus-Winkler als Tourismus-Staatssekretärin zur Seite gestellt. In der Materie müsste sich die 67-jährige Niederösterreicherin jedenfalls bestens auskennen. Werkte die Betriebswirtin und Wirtschaftsbündlerin, die selbst einer Gastronomen- und Hoteliersfamilie entstammt, doch bislang als Obfrau des Fachverbands Hotellerie in der Wirtschaftskammer.
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) bekommt aus dem aufgelösten Wirtschaftsministerium die Digitalisierungsagenden und aus dem Landwirtschaftsressort die Zuständigkeit für Telekommunikation dazu. Für diese Aufgaben wird er allerdings mit einem neuen Staatssekretär ausgestattet: Florian Tursky, früher Pressesprecher und aktuell Büroleiter von Tirols Landeshauptmann Günther Platter. Von 2006 bis 2010 war Tursky Landesgeschäftsführer der Jungen Volkspartei Tirol.
Claudia Plakolm, die Nehammer bereits bei seinem Amtsantritt als Jugend-Staatssekretärin im Kanzleramt installierte, erhält unterdessen Zuwachs bei ihren Aufgaben: Sie wird in Zukunft auch für den Zivildienst verantwortlich sein, der bisher bei Köstinger ressortierte.
Nehammer wird sich am Samstag beim Parteitag offiziell zum ÖVP-Bundesparteiobmann wählen lassen. Auch deshalb stand er nach den in dieser Form überraschenden Rücktritten Köstingers und Schramböcks unter Zugzwang, rasch für Ersatz im Regierungsteam zu sorgen. Auch aus diesem Grund dürfte die Vorstellung in der Politischen Akademie der ÖVP bereits am Tag nach den Rücktritten erfolgt sein - übrigens vor einem neuen Logo, das die Partei nun nur noch als "Die Volkspartei" ausweist, statt - wie noch unter Vorgänger Kurz - als "Neue Volkspartei".
Gerüchte über eine Umbildung im türkisen Regierungsteam hatte es zuletzt übrigens immer wieder gegeben - besonders Schramböck hatte auch schon bei früheren Umbauten als Ablösekandidatin gegolten. Neuerliche Wechsel im Regierungsteam hatte ÖVP-Generalsekretärin Laura Sachslehner - die auch selbst mit Ablösegerüchten konfrontiert war - allerdings noch vergangene Woche energisch zurückgewiesen. Zur Frage, wie überraschend die Rücktritte für ihn gekommen seien, sagte Nehammer, es sei Teil der politischen Praxis, auf Rücktritte erst dann öffentlich einzugehen, wenn sie da seien.
Kritik an Zusammenlegung von Arbeit und Wirtschaft
"Jede Veränderung bietet auch immer ein Chance", sagte Nehammer. Es sei ihm wichtig, dass Agenden dort zusammengeführt werden, wo sie am besten hinpassten. "Arbeit und Wirtschaft bedingen einander", so der Kanzler. Unternehmer bräuchten gute, leistungswillige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Umgekehrt bräuchten Arbeitnehmer mutige Unternehmer, die investieren und Arbeitsplätze schaffen und sichern würden. Gerade die Verquickung von Arbeits- und Wirtschaftsagenden sorgte freilich für Kritik von Arbeitnehmerverbänden und deren Umfeld.
Der Kanzler lobte seine neuen Regierungsmitglieder wenig überraschend in hohen Tönen. Totschnig sei ein "leidenschaftlicher Kämpfer für die Anliegen der Bäuerinnen und Bauern" und für ihn persönlich ein Freund. Tursky sei nicht nur ein "guter Vertrauter", sondern auch Experte und bewährter Krisenmanager. Plakholm habe mit den Jugendagenden bisher einen wesentlichen Beitrag geleistet und erhalte nun eine thematische "Abrundung".
Weniger Freude mit der Umbildung hatte die Opposition (siehe unten). Die Namen der neuen Regierungsmitglieder werde man sich wohl nicht lange merken müssen, hieß es von der FPÖ, die ebenso Neuwahlen forderte wie die SPÖ. Diese kritisierte ebenso wie die Gewerkschaft die Zusammenlegung des Arbeits- und Wirtschaftsressorts.(tschi)