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Von Wahlzuckerln, gesprengten Budgets, Steuerfantasien und der Frage: "Wer soll das bezahlen?" Der Wahlkampf fand bei den Beschlüssen zur Steuerentlastung und zur Pensionserhöhung eine Fortsetzung.
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Die Parlamentsmitarbeiter kamen ordentlich ins Schnaufen. Fristsetzungsanträge und Unterlagen mussten in den Kanzleien noch kopiert werden. "Wir brauchen noch zehn Minuten": Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) musste den Sitzungsstart gleich zweimal verschieben. Mit 20 Minuten Verspätung begann dann Donnerstagvormittag die Sondersitzung des Nationalrats. Mit der auf der Tagesordnung stehenden ersten Etappe der Steuerreform und der Pensionserhöhung wurden nicht einmal zwei Wochen vor der Nationalratswahl im Hohen Haus Milliarden verteilt: Mit 2,7 Milliarden Euro hat das Finanzministerium die Kosten für die Steuerentlastung beziffert, mit 1,6 Milliarden die Anhebung der Pensionen.
Vom Gedenken bis zum ruhigen Baby bei der SPÖ
Vorerst war es allerdings einmal ganz still. Sobotka und die Abgeordneten gedachten des im August verstorbenen Ex-Sozialministers Rudolf Hundstorfer. Ganz ruhig war auch das vom Nationalratspräsidenten als jüngster Zuhörer begrüßte Baby der SPÖ-Abgeordneten Elisabeth Feichtinger in der hintersten Bankreihe.
Richtig laut wurde es auch in der Debatte nicht, wenngleich sich an der Steuerentlastung die Geister schieden. Alle Parlamentsparteien nützten die Chance, hier im Wahlkampf kräftig die Werbetrommel zu rühren beziehungsweise vor - zu - teuren Ausgaben vor der Wahl zu warnen.
Mit ihrem Sanktus im Nationalrat setzten ÖVP und FPÖ einen ersten Teil ihrer Steuerreform noch vor der Wahl um. Für Bezieher kleiner und mittlerer Einkünfte bis 21.500 Euro Jahreseinkommen gibt es durch Rückerstattung von Sozialversicherungsbeiträgen eine Entlastung. Bei Selbständigen und Bauern werden hingegen die Beiträge schon 2020 auch bei hohen Einkommen um 0,85 Prozentpunkte auf 6,8 Prozent gesenkt. Dazu kommt die neue Digitalsteuer auf Onlineumsätze von Internetgiganten.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner stieß sich daran, dass Selbständige und Bauern schon 2020 voll profitieren: "Nein, das ist nicht fair." Es gebe eine "Schieflage". Die SPÖ wollte rasch mehr Geld verteilen. Arbeitnehmer und Pensionisten sollten auch 2020 die Entlastung spüren. Zudem bekräftigte sie eine ihrer zentralen Wahlkampfforderungen: Löhne bis 1700 Euro sollten möglichst rasch steuerfrei gestellt werden.
Die Abänderungsanträge der SPÖ würden "die Milliardengrenze sprengen", warf ihr danach ÖVP-Klubobmann August Wöginger vor: "Wer soll das bezahlen? - Das ist unverantwortlich." Die gemeinsam mit der FPÖ paktierten Steuermaßnahmen sah er in einem anderen Licht: "Das ist eine gezielte Entlastung."
Offenbar sei das Durchbrechen der Milliardengrenze okay, wenn dies von der ÖVP geschehe, konterte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger: "Sie verteilen heute wieder einmal Wahlzuckerl." Das sei Unvernunft, "Zukunftsvergessenheit" und ein Schlag ins Gesicht junger Menschen. Nur kleinere Erleichterungen in dem Steuerpaket für die Wirtschaft trugen die Neos mit.
Bruno Rossmann, Budgetsprecher der Liste Jetzt, knöpfte sich nicht nur das ÖVP-FPÖ-Paket vor, sondern auch die Neos-Forderung nach einer Abgeltung der kalten Progression, damit Steuerzahler bei Lohnerhöhungen nicht automatisch in höhere Steuerstufen rutschen. "Werfen Sie nicht auf andere hin, wenn sie selbst nicht besser sind." Allerdings geißelte Rossmann wie die SPÖ ebenfalls, dass von der Steuerentlastung bei Selbständigen und Bauern auch hohe Einkommen profitieren: "Dass es sich dabei um Wahlzuckerl handelt, ist schon klar."
FPÖ-Chef Norbert Hofer drehte den Spieß um und schoß sich auf die SPÖ-Forderungen ein: Er warne vor "neuen Steuerfantasien". Es sei die Frage, was 1700 Euro Mindestlohn steuerfrei den Finanzminister kosteten: "Das ist mir eine Gleichung mit zu vielen Unbekannten."
Hofer verteidigte wie zuvor bereits ÖVP-Klubobmann Wöginger auch ausdrücklich die Sondererhöhung der Pensionen im Jahr 2020. Diese sorgte für wenig Aufregung, auch die SPÖ trägt sie mit. Wenn eine Pensionistin 700 Euro mehr im Jahr erhalte, "dann ist das nicht zukunftsvergessen", betonte Hofer. Wie schon vor den Wahlen 2008 und 2017 werden die Pensionen nun knapp vor der Wahl außertourlich angehoben. 2020 werden demnach Pensionen bis 1111 Euro brutto im Monat statt um 1,8 um 3,6 Prozent erhöht. Für Pensionen bis 2500 Euro wird die Erhöhung auf 1,8 Prozent eingeschliffen, bis 5220 Euro im Monat beträgt sie 1,8 Prozent, darüber gibt es fix 94 Euro.
Warnung des Finanzministers
Der Finanzminister der Übergangsregierung, Eduard Müller, rechnete den Abgeordneten nochmals vor, dass sich vorerst die Beschlüsse im freien Spiel der Kräfte im Parlament seit dem Sommer auf 5,1 Milliarden Euro summieren. Davon sind 3,1 Milliarden Euro nicht eingeplante Zusatzkosten. Mit Blick auf die Abflachung der Konjunktur versuchte er den Parlamentariern einzuimpfen: "Ich kann wirklich nur appellieren, was hier passiert, erfolgt nicht unbemerkt." EU und Ratingagenturen würden das verfolgen.
Eingebracht wurde auch eine Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes. Künftig sollen auch Nachfahren (Kinder, Enkel, Urenkel) von NS-Vertriebenen die österreichische (Doppel-)Staatsbürgerschaft erwerben können. Das Außenministerium rechnet mit bis zu 80.000 potenziellen Antragsstellern, sie sollen über die Botschaften einfach und kostenlos einen Antrag stellen können.