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Großes Köpferollen vor dem Beitritt

Von Michael Schmölzer

Europaarchiv

Die Kritik der EU, wonach Rumänien notwendige Reformen vor allem im Justizbereich verschleppt, hat Premierminister Adrian Nastase jetzt die Flucht nach vorne antreten lassen: Er will seinen Justizminister Rodica Stanoiu mit Beginn nächster Woche feuern. Das gleiche Schicksal droht einflussreichen Polizeichefs, sollten sie nicht schleunigst jene Übergriffe auf Journalisten aufklären, bei denen auch Mitglieder der Exekutive involviert gewesen sein sollen. Mit diesen Schritten will Nastase der EU beweisen, dass Rumänien der Korruption noch vor dem EU-Beitritt 2007 Herr wird.


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Seit geraumer Zeit schon droht das EU-Parlament ganz unmissverständlich damit, dass der EU-Beitritt Rumäniens 2007 doch noch platzen könnte: Wichtige Reformen im Bereich Justiz und Verwaltung, ohne die die alle Lebensbereiche umfassende Korruption nicht effizient genug bekämpft werden könne, stünden noch aus, so die EU. Daneben sind es der mangelhafte Schutz Minderjähriger vor zweifelhafter Adoptions-Praxis, Fragen des Wettbewerbs wie der Landwirtschaft, die in der EU für Kopfzerbrechen sorgen.

Derzeit ist es aber vor allem der Umgang mit den Medien, der internationalen Beobachtern zunehmend Sorgen bereitet. Seit bekannt geworden ist, dass in Rumänien eine ganze Reihe von Reportern, die Korruptionsfällen auf der Spur waren, physisch attackiert wurden, ist die Kritik aus den USA und aus Europa nicht mehr verstummt: Sollte Bukarest die Pressefreiheit nicht gewährleisten, wäre der Beitritt zur Europäischen Union im Jahr 2007 gefährdet, drohen EU-Politiker. Eine ernst zu nehmende Warnung, die jetzt Wirkung zeigt. Premier Nastase forderte etliche Polizeichefs seines Landes diese Woche dazu auf, endlich die Serie gewaltsamer Übergriffe auf Journalisten aufzuklären. Andernfalls müssten sie ihre Amtskappe für immer an den Nagel hängen. "Sollten die Schuldigen für die Misshandlungen nicht bis kommenden Montag identifiziert werden, sind die verantwortlichen Polizeiorgane entlassen", bestätigt eine Regierungssprecherin in Bukarest.

Journalisten misshandelt: Polizisten als Täter?

Insgesamt 14 rumänische Journalisten, die Korruptionsfällen auf der Spur waren oder die an der Macht befindlichen Ex-Kommunisten kritisiert haben, sind im letzten Jahr Opfer von Gewalttaten geworden, heißt es im jüngst veröffentlichten Menschenrechtsbericht des US-Außenministeriums. Einige Journalisten wurden eingeschüchtert, andere zusammengeschlagen. Oft von "Unbekannten". In machen Fällen ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch Polizisten unter den Tätern waren.

Die befassten Behörden sind jedenfalls bis dato mit ihren Ermittlungen nicht recht vom Fleck gekommen. Und das unter oft recht fadenscheinigen Begründungen. Der Polizeichef der westrumänischen Stadt Timisoara, wo einem Reporter der Tageszeitung "Evenimentul Zilei" der Kiefer gebrochen worden war, erzählte Medienvertretern, dass der Übergriff nicht "schwer genug" gewesen sei, als dass er Festnahmen rechtfertige.

Faktum ist, dass das rumänische Presserecht in einigen Bereichen einer freien Berichterstattung nicht unbedingt förderlich ist: Auf "Verleumdung" etwa steht immer noch Haft. Und das Justizministerium hat unlängst einen Gesetzesentwurf an das Parlament gesandt, der Gefängnisstrafen von bis zu drei Jahren für "Ablichtung von Privateigentum" und "unerlaubter Berichterstattung aus Regierungsbüros" vorsieht.

Kritiker des Entwurfs meinen, dieser vorgebliche "Schutz der Privatsphäre" sei in Wirklichkeit der Versuch, die Öffentlichkeit darüber im Unklaren zu lassen, wie viel Reichtum die in Amt und Würden Befindlichen angehäuft haben. Die Regierung Nastase freilich bestreitet all diese Vorwürfe. Dennoch: Die Personalrochaden, die derzeit stattfinden, sind sicherlich vor diesem Hintergrund zu betrachten. Neben einem neuen Justizminister soll es bereits in den nächsten Tagen ein drittes Ministeramt für EU-Fragen in Rumänien geben. Neben dem Ministerium für Europäische Integration und dem vor kurzem neu geschaffenen Posten eines Staatsministers für die Koordination der EU-Angelegenheiten wird das Amt eines Delegierten Ministers geschaffen, der die Einhaltung der Verpflichtungen Rumäniens gegenüber der EU kontrollieren soll. Nastase hat für diesen Job den bisherigen Chef des Kontrollkorps der Regierung, Victor Ponta, im Auge: "Wir brauchen eine Bulldogge für diese Aufgabe", vermutet der Premier sicher nicht ganz unberechtigt.