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Großes Theater um "Nabucco"

Von Dieter Friedl

Wirtschaft

Experten uneinig über Umsetzungs-Chancen. | Russland hat Bulgarien und Serbien mit im Boot. | Wien. Die zukünftige Versorgung Europas mit neuen Erdgaspipelines scheint immer undurchsichtiger zu werden. In dieser Woche hat Russland Vereinbarungen über den Bau der sogenannten "South Stream"-Pipeline mit Bulgarien und Serbien getroffen. In den Medien tauchen nun Meldungen auf, dass damit der Tod der auch von der heimischen OMV forcierten Nabucco-Pipeline (sie soll von der Türkei über Bulgarien, Ungarn nach Österreich führen und Russland umgehen) besiegelt sei. Nabucco sei das am wenigsten realistische Projekt, wird betont.


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Dennoch könnte gerade das Gegenteil der Fall sein. Russlands staatlicher Gazprom-Konzern versucht zwar bereits seit einiger Zeit das Nabucco-Projekt - das Europa unabhängiger vom russischen Erdgas machen soll - schlecht zu reden, und erklärt, Nabucco sei unnötig. Die Fakten sehen anders aus. Bei South Stream ist noch nicht einmal die Streckenführung klar. Die Rede ist von einem 10-Mrd.-Euro-Projekt, dass einerseits nach Italien (Italiens Eni-Konzern versucht sich dafür stark zu machen) führen und außerdem einen Abzweiger nach Österreich haben soll.

Streckenführung unklar

Wie weit Ungarn und Österreich tatsächlich eingebunden sein werden, ist noch nicht einmal ansatzweise bekannt. Auch die Weiterführung von Serbien aus ist unklar.

Erst wenn die Streckenführung bekannt ist, können die entsprechenden Genehmigungen bei der EU eingeholt werden. Bulgarien hat sich zwar bereit erklärt, eine Pipeline über bulgarisches Gebiet zuzulassen, betont aber, es handle sich nur um eine reine Transit-Leitung. Stefan Arnaudov, bulgarischer Botschaftssekretär in Österreich, erklärt gegenüber der "Wiener Zeitung": "Wir stehen voll hinter Nabucco. Dieses Projekt steht für uns im Vordergrund. South Stream ist reiner Transit, wir beziehen kein Gas aus dieser Pipeline."

Zustimmung erwartet

Weit konkreter ist ein Pipelineprojekt namens "Poseidon" zwischen Griechenland und Italien, das von der italienischen Edison und der griechischen Depa geplant ist. Für dieses Projekt wurde bereits bei der EU um Ausnahmegenehmigungen eingereicht, die Zustimmung seitens Brüssel ist seit Mitte 2007 bereits vorhanden. Von einem Baubeginn war aber noch nichts zu hören.

Die Vorarbeiten für Nabucco sind dagegen weit gediehen. Die Nabucco-Betreiber haben von den nationalen Kontrollbehörden bereits grünes Licht erhalten (einzig in der Türkei müssen noch gesetzliche Bestimmungen geschaffen werden), die koordinierten Pläne liegen bei der EU, die eine endgültige Entscheidung spätestens am 8. Februar treffen wird, wobei mit einer Zustimmung gerechnet wird. Noch in dieser Woche soll auch grünes Licht für die Aufnahme der deutschen RWE in den Nabucco-Kreis gegeben werden. Bereits im Vorjahr wurde ein Generalingenieur für Nabucco bestimmt, der im Jänner seine Arbeit aufnehmen wird. Nationale Nabucco-Gesellschaften wurden schon gegründet.

Einige Experten glauben, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Nabucco gebaut wird, bei 80 Prozent liegt. South Stream werden nur 50-Prozent-Chancen eingeräumt. Allerdings könnten die unterschiedlichen Interessen der 27 EU-Mitgliedsstaaten den Nabucco-Planern einen Strich durch die Rechnung machen. Russland muss hier weniger Rücksicht nehmen.