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Sind Einzelkämpfer menschlicher? | Kostendruck bei größeren Kanzleien. | Wien. "Das Leben von Kaffee und Süßigkeiten" hat sich für Michael Riegler rentiert, wenn er dafür das Gefühl hat, "etwas mitzugestalten". Der Rechtsanwaltsanwärter bei der Großkanzlei Dorda Brugger Jordis kennt die schlaflosen Nächte, in denen Transaktionen für Kunden vorbereitet werden.
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Dass die Arbeit in den heimischen Großkanzleien einer Sklavenhaltung gleichkommt, ist eine weit verbreitete Meinung. Für den Rechtsanwaltsanwärter Klaus Ainedter ist das mitunter ein fetter Minuspunkt von Großkanzleien.
Zwar hat er in der kleinen 3-Mann-Kanzlei auch lange Arbeitszeiten, Wochenenden sind aber ausgeschlossen. Und der Betrieb ist "menschlicher", ist der Konzipient überzeugt - "sowohl unter den Anwälten selbst als auch gegenüber den Klienten". Ainedters Chef, Rechtsanwalt Johannes Schmidt, sieht einen Unterschied zwischen Groß- und Kleinkanzleien darin, dass sich Großkanzleien "eher als Unternehmer verstehen, während wir uns mehr als Advokaten sehen". Für ihn steht das menschliche Schicksal und die individuelle Betreuung des Klienten im Vordergrund.
Christian Dorda, Kanzleigründer von Dorda Brugger Jordis, meint, dass die "üble Nachrede von Großkanzleien nicht gerechtfertigt" ist. Natürlich werde bei Projekten länger durchgearbeitet, aber "auch nicht annähernd im Sinne einer Sklavenhaltung". Der Rechtsanwalt ist sich sicher: "Die, die länger bleiben, lieben das." Von 9 Uhr bis 19 Uhr seien die normalen Arbeitszeiten.
Martin Brodey, einer der insgesamt 14 Partner bei Dorda Brugger Jordis, gibt zu, "dass die Arbeitsbelastung schon ziemlich hoch ist". Dass man in Großkanzleien allerdings "seine Seele verkauft", streitet er bei einer Veranstaltung des Juristenverbands vehement ab.
Wenige Großkanzleien
Nach den Zahlen des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (Örak) gibt es hierzulande zwölf Kanzleien mit zehn oder mehr Partnern, die sich übrigens allesamt in der Bundeshauptstadt befinden.
Laut Örak-Präsident Gerhard Benn-Ibler decken diese Großkanzleien etwa nur "15 bis 20 Prozent des Marktes" ab, da sie doch sehr spezialisiert sind. Ihre üblichen Steckenpferde seien etwa Mergers and Acquisitions, Finanzierungen oder Kartellrecht. "Die übrigen Gebiete bleiben den kleineren Kanzleien", so Benn-Ibler.
Er glaubt, dass die Wettbewerbsbedingungen sowohl für kleine als auch für große Kanzleien hart sind. Einen Vorteil von kleineren Kanzleien sieht er allerdings darin, dass sich diese schneller auf wirtschaftliche Änderungen einstellen könnten.
Dem stimmt auch Dorda zu. Marktänderungen und der enorme Kostendruck würden Großkanzleien vor unternehmerische Herausforderungen stellen. Der Rechtsanwalt ist sich sicher, "dass sich die Konkurrenz in den letzten drei Jahren verschärft hat". Benn-Ibler ortet ein Problem der Großkanzleien darin, "dass es keine Klientenbindung mehr gibt".
In diesem Aspekt gewinnt auch für Schmidt der Einzelkämpfer. Bei Großkanzleien würde mehr der Kanzleiname als der Rechtsanwalt selbst im Vordergrund stehen. Dass man als kleinere Kanzlei nicht immer die fetten Fische als Klienten an Land zieht, findet Schmidt nicht weiter tragisch. "Dafür haben wir nicht die Kapazitäten", erklärt er gegenüber der "Wiener Zeitung".
Und wer verdient besser? Laut Alexander Christian, Örak-Generalsekretär, sind es die Großkanzleien. Der Örak hat vor einigen Jahren eine interne Umfrage gemacht, die das Einkommen der heimischen Rechtsanwälte nach Gesellschaftsform untersucht hat. Demnach "ist das Durchschnittseinkommen bei GmbHs am höchsten und bei Einzelanwälten am niedrigsten", so Christian. Natürlich könnte auch ein einziger Anwalt eine GmbH gründen, "die Regel ist das aber nicht". Dass alle Einzelanwälte aber ums wirtschaftliche Überleben kämpfen müssen, glaubt Christian nicht.