Geht es ums Geldverdienen, sind Rot und Schwarz auf eine Linie eingeschworen. Anders als in der Politik, wo sich SPÖ und ÖVP zuletzt wieder einmal von einer weiteren Zusammenarbeit verabschiedet haben, sind große Koalitionen im Wirtschaftsleben durchaus von Bestand - und das langfristig. | Leuchtendes Beispiel ist der kommerzielle Schulterschluss der rot gesteuerten Wiener Städtischen mit der Erste-Bank-Gruppe, die der schwarzen Reichshälfte zugerechnet wird. Seit mittlerweile fünf Jahren befruchten sie ihr Geschäft in partnerschaftlicher Weise. Diese eheähnliche Kooperation wollen sie in Österreich und Osteuropa, ihren Kernmärkten, nun weiter vertiefen.
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Einer der Gründe, warum politisches Lagerdenken in der Wirtschaft nicht mehr Platz greift, ist das bereits längst über die Landesgrenzen hinausgewachsene Geschäft. Städtische und Erste (um bei diesem Beispiel zu bleiben) sind in den "Tigerstaaten" Osteuropas inzwischen prominent vertreten, gemeinsam will man Synergien heben und noch mehr Geschäft an Land ziehen.
Nur das scheint bei diesem Paarlauf zu zählen - nicht das jeweilige parteipolitische Naheverhältnis. "Einem Tschechen, Slowaken oder Ungarn ist es völlig egal, wo wir das Kreuzerl in der Wahlzelle machen", halten Städtische-Boss Günter Geyer und Erste-Chef Andreas Treichl fest.
Bevor sich die Städtische die Erste (samt den Bundesländersparkassen) als fixen Vertriebspartner angelacht hat, war sie als Versicherer lange mit der ebenfalls roten Bank Austria verbandelt - durch eine Kooperation, aber auch über eine Beteiligung. Als die Bank Austria 2001 von der bayrischen HypoVereinsbank (HVB) geschluckt wurde, bekam die Kooperation jedoch allmählich Risse - unter anderem aufgrund der Augarten-Pleite und weil der Tausch von Bank-Austria- in HVB-Aktien für die Städtische zu einem Verlustgeschäft geriet. Die fast schon traditionelle Zusammenarbeit wurde in der Folge 2003 beendet.
Vor der Bank Austria, die 1991 durch eine Fusion entstanden ist, hatte die Wiener Städtische bereits mit deren rot gelenkten Vorgängerinstituten, der Länderbank und der Zentralsparkasse ("Z"), kooperiert. Entgegen der hiesigen politischen Farbenlehre war die Städtische aber auch immer ein Partner (und Aktionär) der bürgerlich dominierten Creditanstalt (CA), die 1997 von der Bank Austria übernommen wurde.
Die Wurzeln für die spätere Kooperation von Städtischer und Erster gehen übrigens auf die Donau Versicherung, eine Tochter der Städtischen, und die Sparkassen in den Bundesländern zurück, die über Jahre partnerschaftlich miteinander verbunden waren.
Als 1997 die Erste Österreichische Spar-Casse Bank AG die GiroCredit Bank AG der Sparkassen kaufte und mit ihr zur Erste Bank fusionierte, übernahm deren Chef Treichl auch die Vereinbarungen zwischen der Donau und den Sparkassen. Eine direkte Zusammenarbeit mit der Städtischen gab es vorerst nicht. Von Treichl wurde sie in den Folgejahren aufgrund der ähnlichen Unternehmenskultur beider Einrichtungen jedoch ernsthaft angestrebt - zunächst aber vergeblich. Denn Siegfried Sellitsch, Geyers Vorgänger als Städtische-General, ließ den Top-Banker mit seinen Plänen aus politisch motivierten Gründen abblitzen.
Erst nach Sellitschs Abtritt 2001 konnte das Eis gebrochen und ab 2003 die Idee eines breit aufgestellten und schlagkräftigen Allfinanzkonzerns aus Städtischer und Erster (ohne Kapitalverschränkung) mit Leben erfüllt werden. Geyer und Treichl: "Damit haben wir bewiesen, dass wir politisches Lagerdenken nicht brauchen."
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