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Großoffensive statt Präsidentenwahl in Nigeria

Von Klaus Huhold

Politik

Boko Haram wird immer stärker, nun soll eine westafrikanische Koalition die Sekte bekämpfen. Die Wahl in Nigeria wurde einstweilen verschoben.


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Abuja/Wien. "Greift zu allen euren Waffen und bietet uns die Stirn. Ihr seid willkommen", tönt Abubakar Shekau. Der Anführer der nigerianischen Terrorsekte Boko Haram zeigte sich in einer am Montag veröffentlichten Videobotschaft unbeeindruckt davon, dass die Militäroffensive gegen die Islamisten nun ausgeweitet werden soll. Nicht nur die nigerianische Armee will neue Angriffe gegen Boko Haram starten, auch die Nachbarländer Kamerun, Tschad, Niger und Benin könnten nun ihre Soldaten gegen die Islamisten ins Feld schicken. Eine 8700 Mann starke gemeinsame Eingreiftruppe soll gebildet werden.

Der Konflikt hat schon längst die Grenzen Nigerias überschritten, nachdem Boko Haram auch in den Nachbarländern Angriffe verübt hat. Beobachter sehen die Bildung einer staatenübergreifende Koalition gegen Boko Haram ambivalent: Einerseits kann die nigerianische Armee die Hilfe gut gebrauchen. Andererseits droht Boko Haram, die Nachbarländer noch stärker ins Visier zu nehmen. So lieferten sich die Gotteskrieger am Montag bereits heftige Gefechte mit Sicherheitskräften in der Stadt Diffa im Niger. "Euer Bündnis wird nichts erreichen", kündigt jedenfalls Boko-Haram-Anführer Shekau an.

Die brutale Sekte, deren Anschläge in den vergangenen Jahren mehr als 10.000 Tote gefordert haben, ist immer stärker geworden. Sie kontrolliert über den Nordosten Nigerias verstreut eine Region, die etwa so groß wie Belgien ist und in der sie ein Kalifat ausgerufen hat. Die Islamisten finanzieren sich über Entführungen, Schutzgelderpressungen und Firmenbeteiligungen. Sie sind mit modernsten Waffen, die in der Region am Schwarzmarkt leicht erhältlich sind, ausgerüstet und waren zuletzt Einheiten der nigerianischen Armee oft überlegen.

Die Sekte kann es sich nun auch als Erfolg anrechnen, dass in Nigeria die für dieses Wochenende angesetzten Wahlen auf Ende März verschoben wurden. Die Wahlkommission begründete dies damit, dass aufgrund des Boko-Haram-Terrors keine sichere Wahl stattfinden könne. Es stimmt: In den von den Islamisten kontrollierten Gebieten ist an ein Votum nicht zu denken und hunderttausende Menschen können nicht wählen, weil sie aus ihren Heimatorten vertrieben wurden. Nigerias Armee will nun in den nächsten sechs Wochen Boko Haram mittels Großoffensive zurückdrängen.

Trotzdem gibt es große Zweifel an der offiziellen Begründung für die Wahlverschiebung. "Was die Sicherheitskräfte in sechs Jahren nicht geschafft haben, können sie nun in sechs Wochen auch nicht schaffen", sagt der aussichtsreichste Oppositionskandidat für die Präsidentenwahl Muhammadu Buhari. Und auch Beobachter verweisen darauf, dass die Sicherheitslage nicht erst seit gestern im Argen liegt. Sie vermuten daher einen Schachzug von Präsident Goodluck Jonathan hinter der Wahlverschiebung. Ihm droht eine Niederlage gegen Buhari, da ihm die schlechte Sicherheitslage angekreidet wird und er außerdem mit den sinkenden Ölpreisen zu kämpfen hat, die die Einnahmen Nigerias einbrechen haben lassen. Jonathan will nun offenbar die nächsten sechs Wochen dazu nutzen, um noch einmal eine kräftige Kampagne zu starten.