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Großstadtkämpfe auf drei Quadratkilometern

Von Alexander U. Mathé

Politik

Das Rennen um den Alsergrund bei der Wien-Wahl ist äußerst knapp.


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Dem Alsergrund wird auch künftig eine Frau vorstehen. So viel ist schon vor der Wien-Wahl am 11. Oktober sicher. Saya Ahmad von der SPÖ, Monika Kreutz von den Grünen und Elisabeth Fuchs von der ÖVP liefern einander im 9. Bezirk einen Dreikampf um den Sieg. Seit langem heißt das harte Match am Alsergrund Rote gegen Grüne. Letzteren fehlen aber seit 15 Jahren stets knapp vier Prozentpunkte auf die SPÖ.

Die ÖVP wiederum hat eigentlich ihre besten Jahre hinter sich, seit zuletzt 1991 noch einer der ihren an der Spitze des Neunten stand. Bei der letzten Wien-Wahl 2015 lagen die damals noch Schwarzen abgeschlagen 17 Prozentpunkte hinter der SPÖ. Doch die Gelegenheit ist so günstig wie schon lange nicht, erneut ganz vorne mitzurittern. Im Fahrtwind der erfolgreichen neuen ÖVP auf Bundesebene wird auch die Wiener ÖVP Prognosen zufolge zulegen - und zwar voraussichtlich auf rund 20 Prozent - also mehr als das Doppelte ihres letzten Ergebnisses. Das Potenzial zeigte sich bei der letzten Nationalratswahl. Da lag die ÖVP am Alsergrund vor der SPÖ auf dem zweiten Platz. Mehr als zehn Prozentpunkte vor den mittlerweile Türkisen waren allerdings die Grünen. Das Aufholen der fehlenden vier Prozent auf die SPÖ scheint für sie zum Greifen nahe.

Klientel gibt es am Alsergrund für alle zur Genüge. Denn obwohl der Neunte sowohl flächen- als auch einwohnermäßig zu den kleinsten Bezirken in Wien zählt, ist er sehr vielschichtig. Es gibt den Unicampus und die in der Umgebung wohnenden Studenten. Es gibt Spitäler - allen voran das AKH - und nahe wohnende Ärzte. Es gibt Gemeindebauten und ärmere Gegenden. Es gibt mondäne Grätzel wie das Servitenviertel, das sich Bobos und Konservative teilen. Es gibt die Alservorstadt, den Althangrund, den Himmelpfortgrund, das Lichtental, Michelbeuern, die Rossau und den Thurygrund: Nur drei Bezirke haben offiziell noch mehr Bezirksteile.

Dörfliche Großstadt

"Wir sind Großstadt und kleines Dörfchen in einem", sagt Bezirksvorsteherin Saya Ahmad. "Es gibt Menschen mit Migrationshintergrund und ohne, mit viel Einkommen und wenig und all das auf relativ kleiner Fläche, nämlich drei Quadratkilometern." Trotz der großen Vielfalt gebe es einen starken Zusammenhalt im Bezirk, ist die Sozialdemokratin überzeugt, die aus familiären Gründen in Favoriten wohnt. "Es ist eigentlich nicht ein Bezirk. Alsergrund besteht aus vielen kleinen Dörfern", sagt wiederum die grüne Spitzenkandidatin und stellvertretende Bezirksvorsteherin Monika "Momo" Kreutz. Eine Ansicht, die Elisabeth Fuchs, Klubobfrau der ÖVP in der Bezirksvertretung, teilt: "Man muss hier jedes Grätzel für sich betrachten und wie es entstanden ist."

© Christopher Ohmeyer / @stoffelix

Begrenzt werden die kleinen Alsergrunder Viertel in der Regel durch die Hauptverkehrsadern, die durch den Bezirk gehen: Nußdorfer Straße, Alserbachstraße, Währinger Straße, Liechtensteinstraße. Der Plan von Monika Kreutz ist es, diese Grenzen abzubauen. So könnten auch Verbindungen unter den Grätzeln entstehen. Ihr Angelpunkt ist der Verkehr. "Was mir am Herzen liegt, ist, den Durchzugsverkehr zu reduzieren", erklärt Kreutz. Der Plan: Auf der Nußdorfer Straße und der Alserbachstraße sollen Begegnungszonen entstehen, also dort, wo sich tagtäglich der Berufsverkehr seinen Weg bahnt. "Die Lösungen für Radfahrer und Fußgänger sind dort gelinde gesagt schlecht", sagt Kreutz. Ein grünes Projekt für Radfahrer ist allerdings vor kurzem am Alsergrund gescheitert: Der Pop-Up-Radweg in der Hörlgasse. Im Zuge der Corona-Aktionen der grünen Vizebürgermeisterin Birgit Hebein Anfang Juni eingeführt, wurde er nach dem Sommer abgebaut.

"Der Radweg hat nicht gut funktioniert. Für uns war er immer nur ein Test zur Verkehrsberuhigung", erklärt Saya Ahmad. "Mir geht es auch nicht nur darum, wie es den Radfahrern dort geht, sondern dem Verkehr gesamt. Dazu gehören auch Fußgänger und Autofahrer."

Kreutz ist hingegen weiterhin überzeugt von dem Radweg: "Es brauchte die ideale Verbindung vom zweiten Bezirk zur Universität", erklärt sie. "Da fahren jeden Tag sehr viele Radfahrer." Gehapert habe es an der Umsetzung. "Der Radweg hat zu sehr wie eine Baustelle ausgesehen. Es gab keine Piktogramme, dafür Sandhaufen mitten am Weg", sagt Kreutz. Auch habe man zu früh aufgegeben, denn mit dem Start der Universität, hätten bestimmt mehr Studenten diesen Weg genutzt. "Die Zahlen müssen jetzt genutzt werden und in die weiteren Planungen einfließen."

Verkehrsverbesserung

"Ich denke nicht, dass es verkehrspolitisch der richtige Weg ist zu sagen: Je mehr die Leute im Stau stehen, umso mehr werden sie das Auto schon stehenlassen", sagt dazu Elisabeth Fuchs. "Der Pop-up-Radweg in der Hörlgasse hat sich nicht gerade als Erfolg herausgestellt. Keine Frage, wir brauchen Fahrradwege, aber in der Maria-Theresien-Straße gibt es bereits einen sehr guten und auch die Steigung ist geringer als in der Hörlgasse." Prinzipiell stimmen Fuchs und Kreutz aber darin überein, dass das derzeitige Verkehrskonzept am Alsergrund verbesserungswürdig ist. "Wir haben eine schlechte Situation in der Alserbachstraße. Ich bin Fahrrad- und Autofahrerin und fühle mich in beiden Rollen unwohl." Grund sei nicht zuletzt, dass der Fahrradstreifen zwischen zwei Autospuren geführt wird.

Elisabeth Fuchs (ÖVP).
© ÖVP

Fährt man die Alserbachstraße entlang, landet man auf halber Strecke an dem Ort, der für das steht, was im Bezirk schiefgelaufen ist: den Althangründen. Ein monumentaler Glasbau von zweifelhafter Ästhetik ragt in einer heruntergekommenen Gegend empor, die in Bewohnern, Politikern und Besuchern gleichermaßen den drängenden Wunsch hervorruft, das Ganze umzugestalten. Das war eigentlich auch der Plan, nachdem die frühere Eigentümerin Bank Austria aus dem Bürogebäude ausgezogen war, das den Franz-Josefs-Bahnhof überdacht. Doch Bezirk und Stadt konnten sich nicht einigen über den Bau und Neubau einerseits, beziehungsweise über die Verwendung der Immobilien andererseits.

Streit um soziales Wohnen

"Ich wollte nicht mehr, als das, was im gemeinsam entwickelten städtebaulichen Leitbild vereinbart war", sagt Saya Ahmad. Demzufolge sollte ein Drittel der Fläche für Wohnungen reserviert sein und die Hälfte davon für soziales Wohnen. "Die privaten Investoren wollten aber gar keinen neuen sozialen Wohnbau. Das war inakzeptabel, also gab es auch keine neue Flächenwidmung." Diese hatte sich Investor 6B47 für den Bau einer die Nachbargebäude überragenden Immobilie in dem Viertel gewünscht. Nachdem man sich nicht einig wurde, bleibt nun alles, wie es ist, der Glasbau wird vom Investor adaptiert und die Büros bzw. Wohnungen verkauft - natürlich ohne sozialer Komponente.

Doch warum hat die Stadt nicht selbst zugeschlagen, als die Althangründe verkauft wurden? Dem öffentlichen Gestaltungswillen wären so keine Grenzen gesetzt gewesen. "Das kann ich nicht beurteilen. Das war Aufgabe der damaligen Planungs- und Verkehrsstadträtin", sagt Ahmad und verweist auf die Grüne Maria Vassilakou. "Ich weiß aber von meiner Vorgängerin, dass sich die SPÖ sehr dafür eingesetzt hat, dass die Fläche der Stadt gehören sollten."

"Wenn die Stadt Wien die Althangründe gekauft hätte, wäre das natürlich großartig gewesen", schwärmt auch Kreutz. "Dann hätte man dort von Sozialeinrichtungen bis leistbares Wohnen alles gehabt. Sogar das Bezirksamt hätte dort Platz gehabt. Nachdem die Fläche ein Privatinvestor gekauft hatte und der Prozess zu keiner gemeinsamen Lösung kam, konnten die Grünen nicht mehr viel machen." Gescheitert sei das Projekt letztlich an einer neuen Flächenwidmung. Für Kreutz waren die Forderungen der Investoren unerfreulich. Doch aufgegeben hat sie noch nicht. "Ich will retten, was noch zu retten ist. Ich denke, dass man mit den Investoren noch reden kann.

Fuchs ist ebenfalls überzeugt, dass es noch Verhandlungsspielraum gibt: "Ich würde jedenfalls nochmals mit dem Bauträger reden." In ihren Augen war die Position von Stadt und Bezirk zu starr. "Man hätte nicht auf den 50 Prozent für den sozialen Wohnbau bestehen dürfen. Das Angebot lag bei 30 Prozent, nach der Ablehnung haben wir jetzt gar keine Sozialwohnungen und keinen neuen Flächenwidmungsplan." Dieser sei aber immens wichtig für den Ausbau des Viertels. An der Umgestaltung des vor dem Glasgebäude liegenden Julius-Tandler-Platzes beteilige sich der Investor in Ermangelung eines Deals nun auch nicht.

Baustelle Julius-Tandler-Platz

Der Platz ist allen drei Spitzenkandidatinnen ein besonders Anliegen. Bezirksvorsteherin Ahmad plant bereits die Neugestaltung, Monika Kreutz erklärt, dass der Julius-Tandler-Platz und die damit verbundenen Wege "Themen sind, die es zu lösen gilt" und Elisabeth Fuchs hat bereits einen Antrag eingebracht, dass die Stadt Wien hier finanzielle Unterstützung bietet, zumal mit vom Bund zur Verfügung gestellten Geldern. Die Umgestaltung sei im Sinne der Anrainer und der Geschäfte dort dringend nötig.

Die Geschäftsmisere ist ein großes Problem am Alsergrund. In der Alserbachstraße und der Nußdorfer Straße tun sich Geschäfte schwer, zu überleben. Besonders deutlich zeigt sich das Problem aber in der unteren Liechtensteinstraße. Dann und wann macht ein neues Geschäft auf, das schon bei der Eröffnung die Frage aufwirft, wer dort eigentlich Kunde werden soll. Es schließt schon bald und bleibt leer, oder wird durch ein noch eigenartigeres ersetzt. Für Saya Ahmad liegt das an oftmals überzogenen Forderungen. "Egal, mit wem man spricht: Die Geschäftsmieten sind zu hoch. Ich kann und werde da nicht eingreifen. Ich kann ja niemanden enteignen, aber ich werde mich weiterhin für eine Leerstandsabgabe einsetzen", sagt sie. "Die wenigsten Geschäfte in der Liechtensteinstraße sind eigentlich Leerstände", erklärt wiederum Monika Kreutz. "Die werden meist als Lager vermietet. Eine Idee wäre es, dort wenigstens die Auslagen attraktiv zu gestalten. Eine Straße, die nur verstaubte Fenster hat, wird nicht attraktiv." Zudem mangle es im Bezirk an attraktivem öffentlichem Raum für die Menschen. "Dort, wo die Leute tratschen und spazieren gehen, da gehen sie vielleicht auch einkaufen."

Wenig Platz zum Verweilen

Darin sind sich alle drei Spitzenkandidatinnen einig: Es könnte mehr Orte im Bezirk geben, an denen sich Menschen gerne aufhalten. "Wir haben bereits einige konkrete Projekte gestartet, beispielsweise am Zimmermannplatz und Heinz-Heger-Park beim St. Anna Kinderspital." Als positives Beispiel nennt Ahmad den Lichtentaler Park, von dem auch Kreutz angetan ist. Dort wurde bereits ein Wasserspielplatz geschaffen und Regenbogenbänke. "Der Lichtentaler Park ist sehr schön und viel genutzt. Die Frage ist, wie man das erweitern kann", sagt Kreuz. Eine Erweiterung des Angebots beim Lichtentaler Park ist auch etwas, das Elisabeth Fuchs vorschwebt, allerdings vor einem anderen Hintergrund. "Der Park ist beliebt, das birgt aber auch Probleme." Am Abend seien Jugendliche dort sehr laut, was schon zu Beschwerden der Anrainer geführt hat. "Die gehören abgeholt. Das sind Burschen teilweise mit Migrationshintergrund. Als wir dort eine Verteilaktion hatten, waren sie an allem sehr interessiert. Eine intensivere Betreuung durch das Jugendzentrum wäre eine gute Lösung", sagt Fuchs.

In Kombination mit einer Belebung der angrenzenden Liechtensteinstraße wäre dann eine erste Grätzel-Arbeit erledigt, in dem Bezirk in dem das öffentliche Leben in Mikrozentren stattfindet.