)
Allein an Grenze zum Libanon warten aktuell 15.000 syrische Flüchtlinge.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Alpbach. Im Jugoslawien-Krieg waren es 700.000 Flüchtlinge, in Afghanistan insgesamt 2,7 Millionen, das jedoch über einen sehr langen Zeitraum hinweg. Im Fall Syriens sind innerhalb von nur zwei Jahren zwei Millionen Menschen geflüchtet - "und es sieht so aus, als würde es noch viel schlimmer werden". Das sagt die EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Kristalina Georgiewa, bei einer Veranstaltung in Alpbach.
Schätzungen zufolge werden im Falle eines Angriffs aus dem Westen noch einmal vier Millionen Menschen über die Grenzen flüchten. "Syrien ist die größte humanitäre Katastrophe unserer Generation", so Georgiewa. Das liege aber nicht nur an der hohen Flüchtlingszahl, sondern auch an der jetzt schon erkennbaren totalen Zerstörung des Landes. "Syrien war nicht einmal ein armes Land, sondern ein Land mit mittlerem Einkommen. Es gab ein Gesundheitssystem, es gab ein Bildungssystem. Es war nicht wie bei den Tuareg in Mali." Selbst wenn der Konflikt morgen schon zu Ende ginge, würde es Jahre dauern, bis das Land wiederaufgebaut sei, die Wasserversorgung wieder funktioniere und Spitäler wieder aufmachten.
"N-Sicherheitsrats versagt"
Jetzt säßen die Flüchtlinge in improvisierten Camps tatsächlich unter Bäumen, da es nicht einmal genügend Zelte gebe. Dazu komme, dass das Ende des Konflikts nicht absehbar sei. "Und es gibt ein unglaublich hohes Risiko, dass Syrien noch den Rest der Region destabilisiert."
Die Flüchtlinge fliehen zum Beispiel in Länder wie den Libanon und Jordanien, Nachbarländer, die ebenso weit davon entfernt seien, "stabile Staaten zu sein", pflichtet Valerie Amos bei, Nothilfekoordinatorin der Vereinten Nationen. Allein an der libanesischen Grenze warten laut NGOs derzeit mehr als 15.000 Syrer auf Einlass. In Syrien selbst sei der Konflikt so ausgeweitet, dass er inzwischen jede Person betreffe: Die Infrastruktur in den Städten sei zusammengebrochen, Häuser existierten zu einem Gutteil nicht mehr. Amos betont auch: "Bei den zwei Millionen sprechen wir nur von registrierten Flüchtlingen aus Syrien. Das bedeutet, dass die eigentliche Zahl noch viel höher ist." Amos war im März vergangenen Jahres das erste Mal in Syrien, um die Regierung davon zu überzeugen, dass es eine humanitäre Krise gibt. Mittlerweile arbeiten dort zwölf NGOs und diverse UN-Organisationen.
Beide Frauen schäumen bei der Erwähnung des UN-Sicherheitsrats, der sich auf keine Entscheidung einigen kann. "Was wir hier gesehen haben, ist das Versagen des UN-Sicherheitsrates", meint Amos. Und Georgiewa ergänzt: "Der Sicherheitsrat schafft es nicht einmal, sich auf einen gemeinsamen Nenner der humanitären Gesetze zu einigen. Dass man etwa Ärzte nicht bombardieren darf, keine Zivilbevölkerung umbringen, keine Ärzte erschießen." Das sei ein gefährlicher Präzedenzfall für die Zukunft.