)
Eine Dekade nach dem politischen Umbruch in den ehemals kommunistischen Staaten gibt es immer noch eine Menge von Schwachstellen und Enttäuschungen, kommentiert Währungsfonds-Chef Horst Köhler die wirtschaftliche Situation der Ostregion. Auch gebe es keinerlei homogene Entwicklung des ehemaligen Ostblocks - im Gegenteil, jedes Land habe seine spezifischen Probleme, wie Köhler am Dienstag im Rahmen der diesjährigen Ost-West-Konferenz der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) in Wien sagte.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Arbeitslosigkeit, Budgetdefizit, Inflation und Wirtschaftswachstum entwickeln sich bei den östlichen Nachbarn höchst unterschiedlich. Deshalb gebe es auch kein einziges Modell, das allen Ländern in ihrem Entwicklungsprozess übergestülpt werden könnte. Doch eines sei sicher, betonte Köhler, am "Ende der Reise zur Marktwirtschaft" müsse es ein Minimum an sozialer Sicherheit für alle, also ein soziales Sicherheitsnetz geben.
Kampf der Korruption, für starke Regierungen
"Armut ist immer noch eines der größten Probleme der Reformstaaten. Armut und Ungleichheit haben in den letzten Jahren stark zugenommen" - mit diesem Appell versuchte der ehemalige Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) die Gäste der Konferenz zum Thema "Die Transformation vollenden" zu mahnen: "Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs hat sich die Zahl jener, die von weniger als 2 Dollar pro Tag leben, verfünffacht. Waren es 1987 noch 16 Millionen Menschen, so wuchs diese Zahl bis 1998 auf 93 Millionen an." Dieser Trend sei unakzeptabel. Der oberste Finanzhüter fordert in den Transformationsstaaten starke Institutionen und Regierungen, die der ebenfalls wachsenden Korruption, welche "Staaten geradezu in Geiselhaft nehmen kann", Paroli bieten können. Deshalb müssen der Demokratisierungsprozess und Strukturreformen von der internationalen Gemeinschaft unterstützt werden. Köhler glaubt, dass in Westeuropa mit seinem Bedarf an günstig produzierten Produkten der Schlüssel für nachhaltiges Wachstum und den erfolgreichen Umbau der Reformländer liege. Die implizit entstehende Frage, welchen Beitrag der Internationale Währungsfonds (IWF) zu leisten bereit sei, ließ Köhler offen. Auch wie Unterstützung der Reformstaaten mit einem IWF vereinbar wäre, der sich nur noch auf seine Kernfunktion - die Stabilität der globalen Kapitalmarktes zu gewährleisten - konzentriert, blieb unbeantwortet. Köhler verwies allerdings auf eine notwendige engere Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen. Weniger ehrgeizige Visionen formulierte Österreichs Nationalbankgouverneur Klaus Liebscher: Es gebe ein klares Bekenntnis zur EU-Erweiterung, doch zuvor müssten die Beitrittskandidaten ihre Makroökonomie stabilisieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis stellen. Er bezeichnete Strukturreformen bei unseren östlichen Nachbarn als Garanten für einen langfristigen Erfolg und definierte die wirtschafts- und währungspolitische Integration der EU-Beitrittskandidaten in drei Etappen: "Zunächst werden die Länder der Union beitreten, dann werden sie am Wechselkursmechanismus teilnehmen um dann zuletzt den Euro einführen zu können." Zwar seien die Maastricht-Kriterien nicht vor dem Beitritt zu erfüllen, sie stellen jedoch einen wesentlichen Orientierungspunkt für die kommenden Verhandlungen mit den Kandidaten dar.
Die Ost-West-Konferenz in Wien wurde am 6. und 7. November von der OeNB zusammen mit dem Joint Vienna Institute veranstaltet. Unter den 200 Teilnehmern waren Ökonomen und Wirtschaftspolitiker aus Ost und West sowie oberste Repräsentanten von WTO, Notenbanken, OECD, Weltbank und EBRD.