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Großumbau im Raiffeisen-Reich: Ein Schritt aus der Not heraus?

Von Karl Leban und Stefan Melichar

Wirtschaft

Branche sieht Fusion als Basis für Kapitalaufnahme. | Raiffeisen will mit Zusammenschluss Synergien heben. | Wien. Im Raiffeisen-Imperium bahnt sich eine brisante Großfusion an. Die Giebelkreuzer wollen die börsenotierte Bankenholding Raiffeisen International (RI), in der das Osteuropa-Geschäft gebündelt ist, mit den operativen Teilen der RI-Mutter Raiffeisen Zentralbank, der RZB, verschmelzen. Die eigens für den Börsegang im April 2005 erfolgte Abspaltung der Ostbankenholding würde so wieder rückgängig gemacht. Ein beschlussfähiges Konzept soll in spätestens zwei Monaten fertig sein.


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Die bis dato streng unter Verschluss gehaltenen Fusionspläne, an denen bereits seit mehr als einem Jahr gefeilt werden soll, haben jedenfalls für einen Knalleffekt gesorgt. An der Wiener Börse rasselte der Kurs der RI-Aktie am Dienstag tief in den Keller. Rund 12 Prozent sackte der Finanztitel in der Spitze ab.

Fusionspläne schrecken Investoren

Der Grund: Viele Investoren sind verunsichert. Sie vermuten gröbere Probleme - entweder bei der RI (wegen ihres massiven Engagements im Krisenland Ukraine) oder bei der mit 70 Prozent beteiligten RZB selbst. Interpretiert werden die Pläne der Raiffeisen-Banker als "krisenhafter Schritt".

In der RZB-Zentrale wird das vehement in Abrede gestellt: "Um eine Notfallmaßnahme handelt es sich hier nicht." Es gehe vielmehr darum, den Konzern strategisch neu aufzustellen. Eine Fusion brächte eine Reihe von Vorteilen, so ein Sprecher zur "Wiener Zeitung". Zum einen hätte der Konzern in Sachen Fremd- und Eigenkapital besseren Zugang zu den Kapitalmärkten und zum anderen könnten auch Doppelgleisigkeiten beseitigt und damit Synergien - etwa im Kundenservice - gehoben werden.

Daneben hätte eine Fusion für die Anleger den Vorteil einer breiteren Risikostreuung, erklärt der Sprecher. Als reine Osteuropa-Aktie sei die RI nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 von der Börse besonders abgestraft worden (mehr als 80 Prozent war es damals mit dem Kurs nach unten gegangen).

Rothensteiner beruhigt

In der neuen Gesellschaft, in die man das Osteuropa-Geschäft der RI sowie das Investment- und Großkunden-Banking der RZB einbringen würde, wäre das Risiko vermindert, heißt es bei Raiffeisen. Der Name dieser Gesellschaft, die dann statt der RI an der Börse notieren würde (freilich mit weniger Streubesitz), ist noch offen. Die RZB selbst bliebe als Dachgesellschaft erhalten und würde so wie bisher als Spitzeninstitut den gesamten Raiffeisen-Sektor koordinieren.

Wegen der heftigen Reaktion der Börsianer war RZB-General Walter Rothensteiner am Dienstag um Beruhigung bemüht. In einem Interview mit dem ORF-Radio verneinte er mit Nachdruck, dass es der RZB und ihrer Tochter RI so schlecht gehe, dass man fusionieren müsse. Man brauche auch kein frisches Kapital, versicherte der Banker. Sowohl RZB als auch RI seien ausreichend kapitalisiert.

Allerdings hat das abgelaufene Jahr 2009 - so wie bei vielen Banken - massiv an den Ergebnissen gerüttelt. Zumindest bei der RI brach der Netto-Gewinn um mehr als 78 Prozent auf 212 Millionen Euro ein, da die Vorsorgen für notleidende Kredite um fast eine Milliarde auf 1,74 Milliarden Euro sprangen. Bei der RZB stiegen Wertberichtigungen und Risikovorsorgen zwar ebenfalls deutlich an - von 1,2 auf 2,2 Milliarden. Der Vorsteuergewinn wird mit rund 600 Millionen Euro jedoch auf stabilem Niveau erwartet - ein anständiges Ergebnis angesichts der Krise, so Rothensteiner.

Rätseln in der Branche

In der Wiener Finanzbranche herrscht indes Rätselraten über die Hintergründe der möglichen Fusion. Einig sind sich Insider jedenfalls, dass sich die RZB so einen direkten Zugang zur Börse schaffen will, um bei Bedarf frisches Kapital aufzutanken. Dabei könnte es nicht nur darum gehen, die vom Staat erhaltene Bankenhilfe (1,75 Milliarden Euro Partizipationskapital) möglichst rasch zurückzuzahlen.

Kenner des hiesigen Bankenmarkts meinen, dass die RZB und der Raiffeisen-Sektor insgesamt Kapital benötigen - und zwar zusätzlich zur erhaltenen Staatshilfe. Wegen der engmaschigen Beteiligungsstruktur (siehe Grafik) würde die krisenbedingte Schwäche der RI letztlich auf alle Teil-Institute durchschlagen, ist zu hören. Da Letztere auch das Kapital ihrer jeweils untergeordneten Beteiligung in der Bilanz ausweisen, würden allfällige Probleme von Stufe zu Stufe in der Konzernstruktur durchschlagen.

Dass nicht die RI alleine eine Kapitalerhöhung an der Börse vornimmt, sondern möglicherweise die fusionierte Bank, dürfte jedenfalls einen klaren Vorteil haben: Durch einen Zusammenschluss würde sich automatisch der Anteil an der - nun größeren - Gesellschaft verringern, der auf die Streubesitz-Aktionäre entfällt. Das würde bedeuten, dass Raiffeisen dann viel mehr Aktien verkaufen und Geld einnehmen könnte - ohne deshalb die Mehrheit aufgeben zu müssen.

Als unwahrscheinlich gilt, dass die RZB neuerlich Kapitalhilfen vom Staat in Anspruch nimmt. Spitzenfunktionäre des Raiffeisen-Sektors haben sich bereits vor der ersten Hilfstranche wenig begeistert gezeigt. Dazu kommt, dass bei einer zweiten Hilfsrunde der Staat die Konditionen deutlich verschärfen würde.

Nicht auszuschließen ist freilich auch, dass Raiffeisen ihr Kapital nicht über die Börse, sondern über die Hereinnahme eines Investors aufstockt. RI-Chef Herbert Stepic soll zuletzt intensive Gespräche mit asiatischen Geldgebern geführt haben. Sollten diese das Risiko einer reinen Ost-Beteiligung scheuen, könnte eine Fusion von RI und RZB, die hier als stabilisierendes Element wirken würde, durchaus Sinn machen.

Selbst wenn sich die Lage in Osteuropa nicht weiter zuspitzt, dürfte die RZB - wie andere österreichische Banken - ihren Kapitalpolster aufstocken müssen. Die Finanzmarkt-Reformen der nächsten Jahre führen bei Banken generell zu höheren Eigenmittelerfordernissen. Sich alle Möglichkeiten zur Kapitalaufbringung offen zu halten, kann da nicht schaden.

Siehe auch:

Porträt Herbert Stepic