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Grün-pinker Wettlauf im Wiener Umland

Von Karl Ettinger

Politik

Bei der Niederösterreich-Wahl ist zwar die ÖVP Hauptgegner, Grüne und Neos machen sich aber gegenseitig Konkurrenz.


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Eine Woche nach der Klausur der Bundesregierung ist das beschauliche Mauerbach im Wienerwald direkt an der Grenze zu Wien Schauplatz des nächstens politischen Treffens: Die Neos haben sich dort am Dienstag nach Mittag zur Klausur der Bundespartei versammelt. Es ist Schützenhilfe für Indra Collini, die bei der Klausur dabei ist und als pinke Spitzenkandidatin in die Landtagswahl am 29. Jänner geht.

Die grüne Spitzenkandidatin Helga Krismer wirbt am Mittwoch bei einer Verteilaktion bei öffentlichen Verkehrsmitteln für deren Ausbau und speziell für eine Energiewende auch in Niederösterreich. Mit dem Kampf gegen Bodenversiegelung und dem Klimaschutz sind das die Hauptthemen der Grünen. Ganz bewusst wurde deswegen die Präsentation der letzten Plakatwelle vor der Wahl vergangenen Freitag in Wiener Neustadt mit Klimaschutz- und Infrastrukturministerin Leonore Gewessler zelebriert. Verbunden mit der Hoffnung auf grünen, klimafreundlichen Rückenwind aus der Bundesregierung.

Für Grüne und Neos, die derzeit mit jeweils drei Mandataren im Landtag, aber nicht in der Landesregierung vertreten sind, ist die mit absoluter Mehrheit regierende ÖVP mit Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner Hauptzielscheibe im Wahlkampf. Wenn eine Partei in einem Bundesland dominiere, sei diese das "klassische Reservoir", um sich von dort Wählerstimmen zu holen, analysiert Meinungsforscher Christoph Hofinger vom Sora-Institut im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

17.000 Grün-Stimmengingen 2018 zu den Neos

Aber auch zwischen den beiden Oppositionsparteien läuft der Wettbewerb. Das Sora-Institut hat die Ergebnisse der Landtagswahl 2018 analysiert: Demnach haben die Grünen damals sechsmal so viele Stimmen von der ÖVP wie von der SPÖ geholt, die Neos beim erstmaligen Einzug in den Landtag sogar zwölfmal so viele Stimmen von der ÖVP.

Den grün-pinken Austausch gab und gibt es jedoch auch. 2018 gingen 17.000 Stimmen von früherer Grün-Wählern zu den Neos, das sei der größte Verlust von Wählern der Grünen an eine andere Partei gewesen. "Für die Neos sind die Grünen jetzt gefährlich", lautet eine Schlussfolgerung des Meinungsforschers.

Dieser Wettstreit mit der ÖVP und zwischen Grünen und Neos findet in Niederösterreich in erster Linie im dicht besiedelten sogenannten Speckgürtel rund um Wien, nicht zuletzt in bürgerlichen Hochburgen statt. Das sind allen voran Städte wie Klosterneuburg, Perchtoldsdorf und Baden. Auch notgedrungen. Denn für ein Flächenbundesland wie Niederösterreich mit 573 Gemeinden fehlt der notwendige Parteiapparat. Die Grünen können sich immerhin auf 140 Ortsgruppen stützen, die Neos hingegen erst auf knapp 40.

Dieses Handicap versuchen die beiden Parteien, so gut es geht, mit einem Wahlkampf über Radio, TV und Zeitungen zu kompensieren. Grüne und Neos müssen im Wiener Umland sowie in den größten Städten St. Pölten und Wiener Neustadt punkten, weil es im Gegensatz zu anderen Bundesländern an wirklichen Zentren fehlt, erläutert Hofinger.

Ein Umstand macht es noch stärker zu einem direkten grün-pinken Duell. Beide Spitzenkandidatinnen kommen aus dieser Gegend: die gebürtige Tirolerin Krismer aus Baden, die gebürtige Vorarlbergerin Collini aus Brunn am Gebirge nahe Wien.

Spannung durch fehlende Wähler mit Zweitwohnsitz

Spannend wird, wie sich der Umstand auswirkt, dass niederösterreichweit knapp 100.000 Personen mit Zweitwohnsitz dieses Mal nicht wahlberechtigt sind. Denn laut Sora-Analyse haben bei der Landtagswahl 2018 ÖVP und auch Grüne "überdurchschnittlich" von Stimmen von Zweitwohnsitzern profitiert, nicht so die Neos.

Grüne wie Neos tun sich neben den drei Parteien, ÖVP, SPÖ und FPÖ, die dank des Proporzsystems automatisch in der Landesregierung vertreten sind, nicht nur wegen der Aufsplitterung auf 573 Kommunen besonders schwer in Niederösterreich. Es gebe traditionell eine geringere Wählerdynamik und eine "starke Hegemonie" der Landes-ÖVP, streicht der Meinungsforscher heraus. Dazu kommt, dass aufgrund des Proporzsystems, das der stimmenstärksten Partei viel Einfluss sichert, im Unterschied zu anderen Bundesländern üblicherweise die Koalitionsfrage nicht so im Vordergrund steht. "Die Richtungsentscheidung zwischen Schwarz-Grün und Schwarz-Blau fehlt", formuliert es Hofinger. Ein Ziel eint Grüne und Neos: Beide wollen ein viertes Mandat und damit Klubstärke im Landtag.

Auffallend ist, dass Krismer den Fokus ganz auf Klima- und Energiethemen legt, während die frühere Funktion der Grünen als Kontrollpartei nur eine Nebenrolle spielt. Für Collini ist hingegen mehr Transparenz bei Parteifinanzen und Korruptionsbekämpfung verbunden mit scharfer Kritik an der ÖVP vorrangig.