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Grün-Rot in Stuttgart einig

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Superminister und ein Minister mehr für die SPD. | Viele heikle Punkte in Vereinbarung. | Stuttgart. 88 Seiten ist er stark, der Koalitionsvertrag, den die Grünen und die SPD am Mittwoch in Baden-Württemberg vorgelegt haben. Am 7. Mai werden die Sonderparteitage der beiden Parteien darüber abstimmen.


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Und am 12. Mai soll Winfried Kretschmann zum ersten grünen Ministerpräsidenten eines deutschen Bundeslandes gewählt werden.

Er wird dann einen Koalitionspartner haben, der bei den Koalitionsverhandlungen viel herausgeschlagen hat. SPD-Landeschef Nils Schmid wird dem Vernehmen nach eine Art "Superminister", zuständig für Finanzen und Wirtschaft. Und seine Partei wird über einen Minister mehr verfügen als die Grünen, die im Landtag ein Mandat mehr als die Sozialdemokraten haben.

Die Grünen werden dafür für das heikle Thema Verkehr und Infrastruktur zuständig sein und damit verantwortlich für das umstrittene Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21". Dieses war der Hauptgrund dafür, das sich die Koalitionsverhandlungen seit den Landtagswahlen am 27. März so hinzogen. Vergangene Woche wurde schließlich die Einigung verkündet, dass im Oktober eine Volksabstimmung stattfinden soll. Die Bedingungen sind so gestaltet, dass die Deutsche Bahn, wie die Grünen hoffen, selbst von dem Projekt Abstand nehmen könnte: Sollte der geplante Tiefbahnhof mehr als 4,5 Milliarden Euro kosten, zahlt das Land keinen Cent zusätzlich. Weitere Diskussionen sind vorprogrammiert.

Gesamtschule finanziert durch Grundsteuer

Auch sonst enthält der Koalitionsvertrag heikle Punkte: So ist das zentrale Thema Bildung mit der Einführung der Gesamtschule bis zur 10. Schulstufe und mehr Ganztagsschulen verknüpft. Das könnte im traditionell konservativen Schwabenland zu Konflikten führen, zumal das Schulsystem bisher beim Pisa-Test Bestnoten holte. Außerdem soll die Bildungsoffensive durch eine Erhöhung der Grunderwerbssteuer auf fünf Prozent finanziert werden - im Land der Häuslebauer gleichfalls nicht unproblematisch.

Zum Thema Verkehr wird festgestellt, dass Bahn und Straße gleichwertig ausgebaut werden sollen. Die Formulierung, dass Baden-Württemberg "Heimat des Autos" bleiben soll, ist wohl zur Beruhigung der großen Autokonzerne im Land gedacht. Daimler, Porsche und Audi, die hier 200.000 Menschen beschäftigen, hatten laut aufgeheult, als Kretschmann meinte: "Weniger Autos sind besser als mehr."

Elektrofahrzeuge und Windenergie

Jedenfalls will das Land in seinem Bereich jetzt für mehr Elektrofahrzeuge sorgen. Weiterer grüner Akzent: Forschungsversuche mit Gentechnik sollen von den Feldern verschwinden, Bioanbau soll hingegen gefördert werden.

Ökologischer Umbau ist natürlich auch beim Energiethema angesagt. Von bisher bescheidenen 0,8 Prozent der Stromproduktion soll der Anteil der Windenergie bis 2020 auf zehn Prozent steigen. Die beiden derzeit stillgelegten Atomkraftwerke (von vier insgesamt) sollen abgeschaltet bleiben.

Trotz der ambitionierten Ziele will man sparen, um den von der schwarz-gelben Regierung hinterlassenen Schuldenberg abzutragen. Von 2020 an sollen keine neuen Kredite mehr aufgenommen werden. Wo es Einsparungen geben soll, ist freilich noch unklar - viel Konfliktstoff also für die erste grün-rote Koalition, die im Landtag vier Mandate Vorsprung auf CDU und FDP hat.