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Grund zum Jubeln oder gefährliche Blase?

Von Michael Schilling

Wirtschaft

Auf vielen Aktienmärkten folgt derzeit Rekord auf Rekord. Der schwere Wirtschaftseinbruch im vergangenen Jahr scheint vergessen.


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Wie entfesselt jagen die Aktienmärkte derzeit nach oben. An vielen Börsen folgt Rekord auf Rekord. Auf rund 32.400 Punkte bringt es das weltweit bekannteste Börsenbarometer - der amerikanische Dow Jones Industrial - mittlerweile. Der deutsche Leitindex DAX notierte mit rund 14.600 Punkten so hoch wie nie zuvor. Der schwere Wirtschaftseinbruch im vergangenen Jahr? Vergessen.

Seit dem Coronacrash vor ziemlich genau zwölf Monaten hat der DAX um drei Viertel zugelegt. Dabei hat sich die Wirtschaft zwar erholt, aber noch lange nicht zu alter Stärke zurückgefunden.

Treibende Kraft des Optimismus sind die Fortschritte bei den Corona-Impfungen. Anleger setzen darauf, dass die Krise bald überwunden ist, keine Lockdowns mehr notwendig sind, so dass die Menschen wieder frei reisen und einkaufen können. Gleichzeitig pumpen Notenbanken und Regierungen Billionen in die Wirtschaft, um die finanziellen Folgen der Pandemie zu mildern. Erst zur Wochenmitte beschlossen die USA ein neues Konjunkturpaket im Umfang von rund 1,9 Billionen US-Dollar (rund 1,6 Billionen Euro). Am Donnerstag kündigte die Europäische Zentralbank (EZB) an, im Rahmen ihres im Grundsatz unveränderten, milliardenschweren Anleihen-Notkaufprogramms im zweiten Quartal noch mehr aufs Tempo zu drücken. Gerade die Billiggeldflut der Notenbanken liefert seit Jahren Treibstoff für den Aktienmarkt.

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"Allein am Alter ist noch kein Bullenmarkt gestorben", lautet ein Spruch unter Börsianern mit Blick auf lange Phasen steigender Kurse. Analyst Christian Kahler von der DZ Bank traut dem DAX bis zum Jahresende einen Anstieg auf 15.000 Punkte zu. "Die DAX-Unternehmen sind sehr gut durch das Krisenjahr 2020 gekommen", begründet der Experte seinen Optimismus. Die Gewinne seien wegen der Konjunkturprogramme der Regierungen viel weniger gesunken als in früheren Rezessionen.

Wo liegen die Risiken?

Für Kahler ist ein "stabil prognostizierbarer Verlauf der Coronapandemie" die Voraussetzung für eine nachhaltige Erholung. Ein Risiko sieht er in einer denkbaren deutlichen Verschlechterung aufgrund von Virusmutationen.

Abgesehen von einer Verschärfung der Coronakrise fürchten Investoren vor allem einen überraschenden Inflationsanstieg. Allein die Erwartung einer anziehenden Teuerungsrate hatte Ende Februar und Anfang März vorübergehend für miese Stimmung gesorgt. Denn steigende Zinsen verteuern Kredite für Unternehmen und Geld insgesamt, was das Wirtschaftswachstum zumindest bremsen kann. Auch werden Alternativen zu Aktien, etwa Anleihen und Tages- oder Festgeld, tendenziell attraktiver. Vom Aktienmarkt könnte daher viel Geld in diese Richtung fließen.

Was bedeutet all das für (Privat-)Anleger?

Nicht wenige Menschen fürchten, den Börsenzug schon fast verpasst zu haben und noch schnell aufspringen zu müssen. Marktexperte Andreas Büchler von Index-Radar sieht den DAX mittlerweile denn auch zwischen einer solchen "Kaufpanik" und einer Überhitzung. Nach dem steilen Kursanstieg der vergangenen Monate könnte sich also erst einmal Geduld auszahlen, die an der Börse ohnehin ratsam ist.

Während kurzfristig agierende Anleger durchaus erst einmal Kasse machen könnten, lohne es sich für mittelfristig orientierte Investoren möglicherweise dabeizubleiben, sagt Büchler. Schließlich sei der Aufwärtstrend noch intakt. Kurzfristige Rückschläge schließt das aber nicht aus. Daher glaubt der Experte: "Frische Käufe könnten allerdings für Geduldige mit etwas Glück irgendwann wieder zu etwas günstigeren Preisen möglich sein."

Was sagen Skeptiker der Börsenrally?

Der nur teilweise erholten Wirtschaft drohe womöglich ein weiterer Rückschlag, zumindest aber ein langsameres Wachstum, schrieb Starinvestor Jeremy Grantham, Mitgründer des Fondsanbieters GMO, jüngst. Auf jeden Fall seien die Unsicherheiten sehr groß. Dennoch stünden die Aktienindizes viel höher als vor der Krise, als die Wirtschaft noch gut ausgesehen hatte. In Relation zu den tatsächlichen Unternehmensgewinnen seien Aktien in der Vergangenheit nur selten höher bewertet gewesen als derzeit. "Der seit 2009 laufende Bullenmarkt hat sich endgültig zu einer vollwertigen, epischen Blase entwickelt", bringt Grantham seine Sichtweise auf den Punkt. Er vergleicht die Entwicklung mit dem Börsen-Hype vor der Weltwirtschaftskrise von 1929 und dem Dotcom-Rausch zur Jahrtausendwende. Wann solch eine Blase platze, lasse ich aber nur schwer vorhersagen. (dpa-AFX)