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Gründen per Videokonferenz

Von Andrea Möchel

Recht
© Fotolia/AMATHIEU

Österreichs Notare planen die digitale GmbH-Gründung und fordern die Abschaffung des Gebührengesetzes.


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Wien. "Nur wer besser wird, bleibt gut." Mit dieser Zukunftsstrategie bauen die österreichischen Notare ihr digitales Angebot weiter aus. Das aktuelle Projekt heißt "Digitale GmbH-Gründung", mit der sich Firmengründer künftig zwar nicht den Notar, aber immerhin den Weg zu ihm sparen können.

"Mit einer Kombination aus persönlicher individueller Beratung und einer vereinfachten, schnelleren Abwicklung über digitale Technologien unter Gewährleistung gewohnt hoher Sicherheitsstandards vereinen wir für Unternehmensgründer das Beste aus beiden Welten", sagt dazu Ludwig Bittner, Präsident der Österreichischen Notariatskammer (ÖNK).

Unterschrift per Handy-Signatur

Und so funktioniert die digitale Firmengründung: Nach der Prüfung der Identität des Gründers mittels Videoidentifizierungsverfahren wird ein gesicherter Datenraum eingerichtet, zu dem nur Notar und Gründer Zutritt haben. Ob Erarbeitung des Gesellschaftsvertrages oder Austausch von Informationen - jeder einzelne Arbeitsschritt oder Zugang zu diesem Datenraum wird protokolliert. Kernelement im digitalen Workflow ist die Beratung und Rechtsbelehrung aller Gesellschafter per Videokonferenz.

In einem eingeblendeten "Secure Viewer" wird der Gesellschaftsvertrag schließlich von jedem einzelnen Gründer unter Aufsicht des Notars per Handy-Signatur unterzeichnet. Der unterschriebene Notariatsakt mit Unterschriftenproben-Blatt und Bank-Bestätigung wird dann über den Elektronischen Rechtsverkehr der Justiz (ERV) an das Firmenbuch übermittelt. Der Eintragungsbeschluss und der Firmenbuchauszug werden für die Gründer im Datenraum hinterlegt. Der unterfertigte Gesellschaftsvertrag wird archiviert, und alle Daten aus dem Datenraum werden in komprimierter, verschlüsselter Form im Signaturverzeichnis cyberDOC zur Beweissicherung abgelegt. Danach wird der Datenraum gelöscht und kann später nicht mehr wiederhergestellt werden.

Bereits im Sommer 2017 wurde die Pilotphase für die digitale GmbH-Gründung gestartet. "16 Notare haben in ganz Österreich Testgründungen mit dem digitalen Workflow durchgeführt", erklärt Michael Umfahrer, Leiter des ÖNK-Fachausschusses für Unternehmensrecht, der "Wiener Zeitung". "Nach dieser ersten Phase konnte klar belegt werden, dass der technische Prozess gut geeignet ist, um die GmbH-Gründung im Notariat digital abzuwickeln. Die beteiligten Testgründer wie auch die Notare haben den Workflow als sehr einfach, gut strukturiert und passend beurteilt."

Dass die rund 500 österreichischen Notare ihr digitales Angebot gerade jetzt ausbauen, ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die ab 1. Jänner 2018 mögliche vereinfachte Gründung einer Ein-Personen-Gesellschaft. Diese kann künftig über das Unternehmer-Serviceportal (USP) der Republik ohne notarielle Beiziehung erfolgen. "Wir begrüßen Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung", betont dazu ÖNK-Präsident Bittner. "Allerdings glauben wir, dass durch den Verzicht auf Beratung den zukünftigen Unternehmern - bei aller Euphorie über die technologischen Möglichkeiten - kein Gefallen getan wird."

So habe die langjährige Praxis gezeigt, dass die Regelungen einer minimalen Mustersatzung nur in Ausnahmefällen ausreichend sind. "Es geht uns beim Thema Digitalisierung nicht um ein Entweder-oder, sondern
um eine sinnvolle Kombination", betont Bittner. "Unser Anliegen ist ein sorgenfreies Rechtsleben des Neu-Unternehmens, wofür
die Qualität der Beratung im
Zuge der Gründung entscheidend ist." Schließlich wären rund um die Gründung eines Unternehmens viele Rechtsgebiete wie Gewerbe-, Steuer-, Familien-, Erb- und Immobilienrecht zu berücksichtigen.

Für die digitale GmbH-Gründung werden derzeit weitere Testgründungen durchgeführt. Neben der Gewährleistung der sicheren technischen Umsetzung sind aber auch gesetzliche Anpassungen erforderlich. "Die notwendigen legistischen Änderungen im GmbH-Gesetz wurden bereits an die Politik und an die Beamten des Bundesministeriums für Justiz herangetragen", sagt Umfahrer. "Sobald diese Anpassungen durch die neue Regierung erfolgt sind, kann die digitale GmbH-Gründung mit dem Notar starten - wir hoffen, dass es im ersten Halbjahr 2018 so weit sein wird."

Und noch einen Wunsch haben die Notare an die neue Regierung: Sie fordern die ersatzlose Abschaffung des Gebührengesetzes. Dieses sei ursprünglich als "Papierverbrauchssteuer" konzipiert worden und in der digitalen Welt per se anachronistisch. Zudem sei sie aufwendig zu administrieren, ungerecht und unsozial. "Die Abschaffung der Vergebührung von privaten Mietverträgen hat besonders junge Menschen und solche, die nicht die finanzielle Möglichkeit der Schaffung von Eigentum haben, entlastet", stellt Michael Umfahrer fest. "Unternehmen werden jedoch weiterhin stark belastet und würden vom Wegfall der Vergebührung von Verträgen und Vergleichen profitieren, ebenso bei Patent-, Gebrauchsmuster-, Marken- und Musterangelegenheiten."

Keine Verträge, umsich Abgabe zu ersparen

Darüber hinaus habe sich das geltende Gebührengesetz als ein Hindernis für die Schaffung von Rechtssicherheit erwiesen. Oft würden schriftliche Verträge nicht gemacht, um sich die Abgabe zu sparen.

"Streitvermeidende außergerichtliche Vereinbarungen wie zum Beispiel zwischen Ehepartnern sind mit einer Gebühr von zwei Prozent des Wertes der Vereinbarung belegt, obwohl dieser Wert in der Regel kaum feststellbar ist", ärgert sich Umfahrer. "Derart sinnvolle Regelungen finden daher kaum statt, obwohl diese - neben einer Entlastung der Gerichte - zu einer deutlich höheren Rechtssicherheit und der leichteren Durchsetzung des Willens der Parteien führen könnten."