Finanzminister Brunner will die Grunderwerbsteuer abschaffen, Experten sehen Chance für eine grundsätzliche Reform.
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Die Immobilienpreise haben sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, die Einkommen laut Nationalbank aber nur um ein Drittel erhöht. Für viele bleibt deswegen - neben verschärften Kreditvergaberichtlinien und steigender Inflation - der Traum vom Eigenheim unerfüllt. Ein Umstand, der die Politiker im Westen Österreichs, in Vorarlberg und Tirol, die Abschaffung der Grunderwerbsteuer auf das erste Eigenheim fordern ließ.
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) griff den Vorschlag am Wochenende nun auf und sagte im ORF Vorarlberg, dass er damit jungen Menschen und Familien den Erwerb von Eigentum erleichtern wolle. Brunner könne sich vorstellen, dass die Grunderwerbsteuer auf das erste Eigenheim bis zu einer bestimmten Größenordnung - zum Beispiel 500.000 Euro - erlassen wird. Auch andere Gebühren wären zu diskutieren, so Brunner. Die Grünen erteilten dem Vorschlag jedoch eine Absage, berichtete Ö1.
Die Grunderwerbsteuer beträgt derzeit 3,5 Prozent des Kaufpreises und liegt im internationalen Vergleich am unteren Ende. Für Margit Schratzenstaller, Ökonomin am Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), gibt es noch zu viele Unbekannte beim Vorstoß des Finanzministers. "Die empirische Evidenz zeigt, dass die Steuertraglast der Grunderwerbsteuer hauptsächlich bei den Verkäufern von Immobilien liegt - durch eine Steuersatzsenkung würden somit in erster Linie die Verkäufer, nicht die Käufer von Immobilien entlastet", so die Ökonomin zur "Wiener Zeitung". Insofern sei fraglich, ob eine Steuersatzsenkung tatsächlich den gewünschten Effekt hat.
Die Besteuerung von Grund- und Immobilienbesitz und die zugehörigen Transaktionen, bedürften jedoch grundsätzlich einer Reform, so die Expertin für Budget- und Steuerpolitik. "Generell weisen empirische Untersuchungen darauf hin, dass die Grunderwerbsteuer unerwünschte Nebenwirkungen haben kann, indem sie Transaktionen von Grund- und Immobilienvermögen verhindert beziehungsweise verringert", so Schratzenstaller. Würde man die Grunderwerbsteuer abschaffen oder reduzieren, müsste sich diese Reduktion aus verteilungspolitischen Gründen auf einen bestimmten Wert beschränken, beziehungsweise könnte man einen gestaffelten Steuertarif anwenden, bei dem die Steuersätze mit steigendem Wert der Immobilie steigen, sagt die Expertin.
Schenkung und Vererbung von Immobilienvermögen sollten zudem nicht mehr mit der Grunderwerbsteuer belegt werden, sondern eine reformierte Erbschafts- und Schenkungssteuer sollte wieder eingeführt werden, so die Steuerexpertin. Fun Fact: Die Grunderwerbsteuer fungiert als Ersatz für die 2008 abgeschaffte Erbschaftssteuer.
Reform zugunsten von Gemeinden
Bleibt da noch die Frage, wie viel den Gemeinden durch die Abschaffung oder Reduktion der Grunderwerbsteuer auf die Erstimmobilie entginge. Denn die Grunderwerbsteuer ist eine gemeinschaftliche Bundesabgabe, die zu 96 Prozent an die Gemeinden geht. Berechnungen dazu gibt es freilich noch nicht.
Vergangenes Jahr betrugen die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer 1,658 Milliarden Euro. Davon gingen knapp 1,6 Milliarden Euro an die Gemeinden. Hinzu kommen die Bodenwertabgabe, die zu 96 Prozent an die Gemeinden geht, sowie die Grundsteuer A (für land- und forstwirtschaftliches Vermögen) und B (für Grundvermögen), die zur Gänze an die Gemeinden geht. Diese betrugen im Vorjahr 5 Millionen Euro sowie 766 Millionen Euro. Die Grundsteuer solle "unbedingt reformiert" werden, so Schratzenstaller. "Die überholten Einheitswerte der Grundsteuer B müssen aktualisiert und an die Verkehrswerte angenähert werden, um das Einnahmenpotenzial der Grundsteuer zu erhöhen", so Schratzenstaller.
"Auch sollte die Bodenwertabgabe, die unbebaute Grundstücke betrifft, reformiert werden - sie wird derzeit mit einem Steuersatz von 1 Prozent auf den 14.600 Euro übersteigenden Einheitswert erhoben. Dieser Einheitswert entspricht nur einem Bruchteil des tatsächlichen Verkehrswerts und kann daher die angestrebten Lenkungswirkungen - Verhinderung der Spekulation mit Bauland und Mobilisierung von brachliegendem Bauland - nicht entfalten", gibt die Steuerexperten zu bedenken.
Die zusätzlichen Einnahmen, die den Gemeinden aus der Erhöhung von Grundsteuer und Bodenwertabgabe zugutekämen, würden deren derzeit beschränkte Abgabenautonomie stärken, so Schratzenstaller. Im Gegenzug sollten weniger wachstums- und beschäftigungsverträgliche Steuern, vor allem Steuern auf Arbeit, zum Beispiel die Lohnsteuer, gesenkt werden.