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Grundkurs Philosophie für Politiker in Not

Von Walter Hämmerle

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Salzburger Landespolitiker stürmen angeblich dieser Tage die gut sortierten Buchhandlungen. Kein Wunder: Richtige Lektüre könnte ihre Karriere retten.


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Immanuel Kant soll ja der Überzeugung gewesen sein, dass die Politik keine Arena der weltanschaulichen Gesinnung, sondern der praktischen Vernunft sei. Überraschenderweise sehen wir das in Österreich ganz genau so, wobei jedoch die praktische Vernunft aus dem Blickwinkel der politischen Opportunität besondere Beachtung erfährt. Schließlich kann, und hier sind sich ja wohl alle einig, vernünftig nur sein, was einem selbst nutzt und den anderen schadet. Alles andere wäre auch wirklich völlig unvernünftig. So viel Kant steckt locker in jedem österreichischen Politiker.

Vom Königsberger Philosophen ist es nur ein kleiner Schritt zu G.W.F. Hegel. Gottseidank, muss man sagen. Dass wir allerdings ausgerechnet einem Preußen die flexible Handhabung scheinbar kategorischer Imperative verdanken, ist natürlich schon ganz besonders feine Ironie aus Sicht eines Österreichers. Laut Hegel ist denn auch die Kunst der Dialektik nichts anderes als "der Gang des Geistes in seiner Selbsterfassung". Das klingt jetzt vielleicht etwas kompliziert und hochgestochen, sagt aber auch nichts wesentlich anderes, als dass alles stetig fließt, wie es ausgerechnet ein Grieche einmal anschaulich auf den Punkt gebracht hat.

Natürlich weiß jeder österreichische Politiker über den unermesslichen Wert einer umfassenden Bildung bestens Bescheid. Das ist nämlich ganz ähnlich wie die leidige Sache mit dem Geld: Man muss schon rechtzeitig darauf schauen, dass man es hat, wenn man es braucht. Und brauchen kann man die angewandte höhere Philosophie in der heimischen Politik öfter, als sich der gemeine Bürger gemeinhin vorzustellen vermag.

Wie das funktioniert, lässt sich wunderbar am zeitlos aktuellen und allseits beliebten Thema der "politischen Verantwortung" illustrieren: Für jeden Politiker, der etwas auf sich hält, ist es selbstverständlich, Verantwortung zu übernehmen. Wozu sonst auch leben wir in einer Demokratie.

Das ist natürlich sehr viel leichter gesagt als getan, lauern doch auf dem steinigen Weg der politischen Verantwortlichkeit quasi hinter jeder Ecke Fallstricke. Wer sich hier nicht vorsieht, um den kann es ganz schnell ziemlich einsam werden. Und dann kann es durchaus passieren, dass man mit der politischen Verantwortung ganz alleine überbleibt. Wer das will, kann kein Guter und also nur von der Opposition sein. Wahlweise kommt natürlich auch der Koalitionspartner infrage. Erkennen tut man die Schurken daran, dass sie immer die anderen auffordern, doch bitte endlich die politische Verantwortung zu übernehmen, was nichts anderes bedeutet, als dass der Betreffende gefälligst den Hut zu nehmen habe.

Wer bleiben will, muss deshalb tunlichst betonen, dass es jetzt - im Sinne der Bürger, der Republik und der Aufklärung - doch bitte zuerst darum gehe, die Verantwortung zu übernehmen. Letzte Hoffnung eines Verantwortungsträgers ist es demnach, bis zum bitteren Ende aller Aufklärung doch noch einen anderen Sündenbock zu finden.

Und bis es so weit ist, kann ein bisschen Philosophie die Karriere retten.