In Krisenzeiten müsste der Staat mehr Geld in Forschung mit Risiko investieren. | Verteilungskampf um öffentliche Mittel. | Wien. Das in Verhandlung befindliche Budget sieht Einsparungen von 1,4 Prozent bei Bildung und Forschung vor. Vor dem Hintergrund rückläufiger Investitionen von Unternehmen pocht eine Studie nun auf eine erhöhte Förderung der Grundlagenforschung durch den Staat.
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"Je mehr die Unternehmen ihren Aktionären verpflichtet sind, desto weniger sind sie bereit, in langfristige, risikoreiche Forschung zu investieren, die zwar potenziell von großen Nutzen sein kann, aber von der wir nicht sagen können, bis wann genau konkrete Ergebnisse herauskommen. Wenn der Staat in diesem Bereich spart, versündigt er sich an der nächsten Generation", betont der Präsident des Wissenschaftsfonds (FWF), Christoph Kratky, der die Studie gemeinsam mit dem Wissenschaftsministerium beauftragt hat.
Zwischen den Krisen
Der FWF positioniert sich damit im zu erwartenden Verteilungskampf um öffentliche Mittel. Kratky sieht seine Einrichtung als Fördergeber für Projekte in der Grundlagenforschung an Universitäten im Dilemma. Einerseits sage die Industrie in der Wirtschaftskrise, sie benötige mehr Geld, weil sonst Arbeitsplätze gefährdet seien. Andererseits ortet er eine "Bildungskrise", in der eine wachsende Anzahl an Studenten vor katastrophalen Bedingungen an den Unis stehen und die Professoren sich zunehmend um die Lehre kümmern müssten. "Zwischen diesen Krisen sind wir eingequetscht mit unserer Grundlagenforschung", sagte er am Montagabend vor Journalisten.
Die Studienautoren Andreas Schibany und Helmut Gasser von Joanneum Research empfehlen eine Abkehr von "unternehmensbezogenen Beurteilungssystemen" bei der Mittelvergabe: "Dass öffentlich geförderte Forschung wirtschaftlich etwas bringen muss, ist als Erwartungshaltung durchaus nachvollziehbar. Man kann aber nicht Messkriterien wie zusätzliche Gewinne oder Arbeitsplätze für eine Form der Forschung verwenden, die diese Eigenschaften gar nicht hat. Das ist wie die Messung des Unmessbaren", so Schibany. Denn aus Grundlagenforschung können nur langfristig Produkte resultieren - die dann aber ganze Volkswirtschaften stützen.
Die "sehr erfolgreiche Entwicklung" von Österreichs Forschung lege eine verstärkte Förderung der Grundlagenforschung nahe. Lange war der Unternehmenssektor tragend, sodass ein starker Fokus auf dessen Förderung gelegt wurde. Mittlerweile sei es jedoch "nicht mehr plausibel", diesen Sektor noch stärker zu fördern. Das Gebot der Stunde ist für Schibany die Stärkung des akademischen Sektors - ein "wesentlicher Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung der vielstrapazierten Frontrunner-Strategie: Bei der angewandten Forschung sind wir gut aufgestellt, bei der Grundlagenforschung aber noch nicht."
Derzeit investiert etwa die Schweiz rund 0,81 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in Grundlagenforschung und Österreich nur 0,44 Prozent. Den Universitäten drohen ab 2013 reale Kürzungen und an den Beschluss der fertigen, jedoch schubladisierten nationalen Forschungsstrategie, die Österreich unter die Top-3 Europas bringen soll, mag offenbar niemand mehr so recht glauben. "Wir werden jedenfalls auf die Arbeiten zurückgreifen, die wir für die Strategie gemacht haben", resümierte die Sektionschefin im Wissenschaftsministerium, Barbara Weitgruber.