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Gründungsväter für ein neues Ägypten

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Amr Moussa, Mohammed ElBaradei, Naguib Sawiris: Trotz ihres unterschiedlichen Hintergrunds gibt es viele politische und wirtschaftliche Gemeinsamkeiten.


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Zusammen stellen sie ein unglaubliches Gründungsväter-Trio für das neue Ägypten dar: Der erste ist ein gerissener Politiker der alten Schule, der zweite ein schweigsamer Wissenschaftler mit Friedensnobelpreis und der dritte ein hartgesottener Wirtschaftstycoon. Sie sind Ägyptens wichtigste politische Stimmen. Interessanterweise vertreten sie, was die demokratische Entwicklung des Landes betrifft, ähnliche Ansichten.

Der erste ist Amr Moussa, ein früherer Außenminister und Chef der Arabischen Liga, der zweite ist Mohammed ElBaradei, Ex-Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation, und der dritte ist Naguib Sawiris, Geschäftsführer von Orascom, einem Unternehmen der Telekommunikation, das Ägyptens größter privater Arbeitgeber ist. Ägyptische Analysten sehen die ersten beiden als potenzielle künftige Präsidenten des Landes und den dritten als möglichen Königsmacher, denn Sawiris hätte als koptischer Christ keine Chance als Präsidentschaftskandidat, er hat aber soeben eine einflussreiche politische Partei gegründet.

Diese drei haben zwar nicht die Revolution gemacht, das ist das Werk der jungen Aktivisten vom Tahrir-Platz, sie spielten dabei aber wichtige unterstützende Rollen. Jeder von ihnen ließ sich auf ein persönliches Risiko ein, indem er zu den Demonstranten ging und sie unterstützte, lange bevor der Ausgang feststand. Wie die Gründungsväter der USA sehen sie sich nun einem turbulenten Übergang zur Demokratie gegenüber. Der politische Schaden, den Jahrzehnte der Unterdrückung angerichtet haben, kann nicht in sechs Monaten repariert werden, darin sind sich alle drei einig.

Trotz ihres so unterschiedlichen Hintergrunds gibt es viele Gemeinsamkeiten. So sind alle drei darüber beunruhigt, dass der regierende Militärrat zu schnell auf Parlamentswahlen und eine neue Konstitution drängt. Alle drei warnen vor Spannungen zwischen Muslimen und Christen und vor einer weiteren Verschlechterung der Sicherheitslage. Alle drei wollen die Polizei neu aufbauen. Und alle drei befürchten, dass ein heftiger wirtschaftlicher Abschwung bevorsteht.

Auch in politischen Belangen konvergieren ihre Ansichten, was für die Zukunft zumindest auf einen moderaten Konsens hoffen lässt. Alle drei bevorzugen die Marktwirtschaft, allerdings eine, die Ägyptens ärmste Bevölkerung schützt. Alle drei wollen die Beziehungen zu den USA fortsetzen, inklusive der Zusammenarbeit zwischen dem ägyptischen und dem US-Militär.

Alle drei wollen die Trennung von Religion und Staat und alle drei teilen die Befürchtung, dass die Muslim-Bruderschaft und andere islamistische Gruppen der jungen Demokratie zu schaffen machen könnten. Sawiris fürchtet ein Regime nach iranischem Vorbild. Um es kurz zu machen: Alle drei wollen, dass Ägypten im 21. Jahrhundert ankommt, als moderner, erfolgreicher, demokratischer Staat.

Moussa will bei den Präsidentschaftswahlen als unabhängiger Kandidat antreten. Aber er strebe nur eine (vierjährige) Amtszeit an, er wolle nur das Land in die richtige Richtung bringen, sagt er.

ElBaradei ist für viele Ägypter wie ein Heiliger. Er will bei den Präsidentschaftswahlen als Kandidat der neuen Sozialdemokratischen Partei antreten, die von vielen Intellektuellen und von vielen Tahrir-Aktivisten unterstützt wird. Sein apolitischer Stil trägt zu seiner Anziehungskraft bei, aber manche Beobachter fürchten, dass er doch zu zurückhaltend ist, um diesen ungestümen Staat regieren zu können. "Wir haben ein Land, das auseinanderfällt", warnt er.

Übersetzung: Redaktion Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post". Originalfassung