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Grüne-Abgrenzung zu Großparteien Das Profil noch vor der Wahl schärfen

Von Ina Weber

Analysen

"Politik ist mehr als nur reine Taktik", sagte Grünen-Chef Alexander Van der Bellen kurz vor der Nationalratswahl im Jahr 2002. Damals schloss er für die Grünen eine Koalition mit der ÖVP aus. "Rein taktisch gesehen", gestand er ein, sei dieser Schritt unklug. Doch habe er "große Probleme mit der Beliebigkeit der ÖVP, die offenbar mit jedem könne". Die Vorliebe der Grünen für einen angesagten Pakt mit der SPÖ stieß damals jedoch auf wenig Gegenliebe. SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer hatte keine Lust, sich in ein rot-grünes Korsett pressen zu lassen. Im Gegenteil, galt es doch den Vergleich mit der rot-grünen Regierung in Deutschland zu vermeiden.


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Vier Jahre später zeichnet sich ein etwas anderes Bild ab. Die Grünen wollen nun endlich regieren. Dafür müssen die Spielregeln der Politik samt Taktik eingehalten werden: keine Koalitionsansagen vor der Wahl. Und: Es gilt das eigene Profil zu schärfen, indem man sich von den anderen Parteien im Wahlkampf möglichst laut abgrenzt.

Selbstbewusst und kämpferisch gehen die Grünen in den Wahlkampf: "Rot vor Scham" und "Schwarz vor Augen" halten sie auf Plakaten ihren Kontrahenten entgegen. Zum Hauptgegner erklärte Van der Bellen kürzlich die ÖVP. Als "Techniker der Macht", der Österreich umfärben wolle, bezeichnete er Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Er gibt vor, damit für Gusenbauer in die Bresche zu springen, der es mit der ÖVP nicht aufnehmen könne, solange dieser "mit sich selbst beschäftigt" sei, so Van der Bellen.

Die Kritik des Grünen-Chefs am SPÖ-Chef ist nichts Neues. Schon 2002 meinte er: "Wenn die SPÖ Zweiter wird, ist Rot-Grün auch ohne Gusenbauer denkbar". Und heute: Gusenbauer könne tun, was er wolle, ein paar Tage später finde sich immer ein Parteikollege, "der genau das Gegenteil sagt", spricht der Grüne die Konflikte zwischen SPÖ und Gewerkschaft an.

Die SPÖ reagierte auf diese Ansage erbost. Sie warf den Grünen genau das vor, wovon sie sich erst abgegrenzt haben: Die SPÖ ortet einen schwarz-grünen Pakt. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures meinte, dass sie es bedauerlich fände, dass sich Van der Bellen als "Steigbügelhalter für die ÖVP-Politik des Sozial- und Bildungsabbaus hergibt".

Doch das ist der Preis für die selbstgewählte Äquidistanz. Mit dem Ziel als drittstärkste Kraft nach der Wahl hervorzugehen, nimmt die Öko-Partei schon jetzt den Platz zwischen ÖVP und SPÖ ein, indem sie beide kritisiert und sich mit "Sachthemen" positionieren will. Die Grünen wollen mit "alternativen Zukunftskonzepten" den "Allmachtsfantasien" der "allein-regierenden" ÖVP etwas "entgegensetzen", bekräftigte Vize-Bundessprecherin Eva Glawischnig.

Die Grünen haben demnach nichts zu verlieren. In Umfragen liegen sie derzeit an dritter Stelle bei elf Prozent. Sollte es zu keiner Neuauflage von Schwarz-Orange und zu keiner Großen Koalition kommen, hätten sie auch wirklich gute Chancen.