Rot-Grün als Modell für die anderen Länder. | Abgeordnete beurteilen die Wiener Regierung. | Wien. In Wien regiert Rot-Grün seit 90 Tagen. Die Angelobung von Michael Häupl als Bürgermeister und Maria Vassilakou als Vizebürgermeisterin fand am 25. November 2010 statt. Und obwohl eine Bilanz über die Arbeit noch zu früh ist, wird über das erste rot-grüne Regierungsprojekt heftig diskutiert.
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Vassilakou stellte sich in der Vorwoche im Architekturzentrum einer Diskussion, ÖVP-Chefin Christine Marek gestand der Rathauskoalition in einer Bilanz einen "sexy" Charakter zu und Vertreter aller vier Rathausparteien diskutierten über die ersten 100 Tage.
Zwei Dinge hat die neue Regierung beschlossen: das neue Fiakergesetz und die Erhöhung der Mindestsicherung für Kinder um 50 Prozent ab 1. März. Ansonsten gab es eine Ankündigung zur Ausweitung des Radnetzes, ganz konkret am Ring, und es wurden Arbeitsgruppen zum Wahlrecht, zu einer Tarifreform der Wiener Linien und zu einer autofreien Mariahilfer Straße eingesetzt und Vorbereitungen für eine Wiener Charta, in der Spielregeln für ein Zusammenleben festgelegt werden, abgeschlossen.
Die "Wiener Zeitung" bat Wiener Abgeordnete im Nationalrat zu einer Bilanz des rot-grünen Projektes. Euphorie war auch den Gesprächspartnern von SPÖ und Grünen nicht zu entlocken, die Kritik von FPÖ, ÖVP und BZÖ fiel eher verhalten aus.
SPÖ-Abgeordnete Christine Lapp sieht in der sachlichen Zusammenarbeit, die sich bisher abzeichne, eine gute Basis. Aus den gemeinsamen rot-grünen Projekten der Vergangenheit habe sich ein guter Arbeitsmodus entwickelt, der den beiden Parteien jetzt zugute komme. Für Lapp ist vor allem wichtig, dass Rot-Grün als Modell gut funktioniert, um eine Vorbildwirkung für andere Bundesländer zu entfalten. Die Erwartungshaltung sei sehr hoch.
Zusammenleben in der Stadt als Gradmesser
Zurückhaltend gab sich auch der grüne Abgeordnete Karl Öllinger. Er konnte ebenso wie Lapp Beschlüsse und Arbeitsgruppen benennen, wollte aber keine Bilanz über die bisherigen 90 Tage ziehen. "Es ist viel zu früh, um jetzt schon eine Beurteilung vorzunehmen, ich habe noch keinen Minister nach drei Monaten beurteilt." Nach zweieinhalb Jahren müsse aber klar sein, wohin die Reise gehe. "Am Ende müssen die Menschen das Gefühl haben, gut aufgehoben zu sein", sagte Öllinger. Rot-Grün werde daran gemessen werden, wie gut das Zusammenleben in der Stadt funktioniere. Ein Gradmesser dafür werde der Wohnbau sein: "Ordnungshüter und Beschwichtigungsonkel werden nicht reichen."
"Schwarz, schwärzer, am schwärzesten", so würde FPÖ-Abgeordneter Peter Fichtenbauer die Stadtregierung beurteilen, "wenn diese Partei überhaupt vorhanden wäre". Die Koalition sei über Ankündigungen nicht hinausgekommen. "Die Grünen sind ein Stütz element für den müde gewordenen Korsettbauch des Rot-Imperiums und stellen keine wahrnehmbare Verbesserungskomponente dar", sagte Fichtenbauer. Er forderte mehr Energie für die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs und der Sicherheitsvorsorge ein.
ÖVP-Abgeordneter Ferdinand Maier glaubt nicht, dass sich in der Stadtregierung durch die Grünen etwas Wesentliches ändern wird. Alles, was bisher gelungen sei, sei zu kommunizieren, "dass es Rot-Grün gibt". Häupl habe mit der Hereinnahme der Grünen aus der Wahlniederlage der SPÖ einen Erfolg gemacht.
"Vassilakou ist Vizebürgermeisterin", so fasste BZÖ-Abgeordneter Herbert Scheibner seine Eindrücke zusammen. "Die SPÖ hat sich die Grünen, die keine Ahnung von Regierungsarbeit haben, als Mehrheitsbeschaffer geholt." Dass die Grünen viele ihrer Projekte mit der SPÖ ohnehin nicht umsetzen können werden, ist für Scheibner andererseits auch ein Segen.