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Die neue Gesetzgebungsperiode ist erst drei Nationalratssitzungen alt, doch die kleinste Parlamentsfraktion nutzte sie zu einem Blitzstart.
Die Themen, welche die Grünen mit ihren Anträgen abdeckten, reichen dabei von Fragen der Sicherheit und Landesverteidigung über Aspekte der Umweltpolitik bis zu den Anliegen von Minderheiten.
Sicherheit etwa wollen die Grünen nicht nur auf den militärischen Aspekt reduziert wissen, weshalb sie die Bundesregierung auffordern, mit den anderen neutralen und bündnisfreien Mitgliedern der EU
im Rahmen der GASP insbesondere nichtmilitärische friedenspolitische Initiativen anzuregen und zu fördern. So soll die EU vor allem auf zivile, friedensbildende Einrichtungen wie OSZE, VN und
Europarat setzen. Weiters mögen ein Frühwarnsystem und entsprechende Instrumentarien zur präventiven politischen Lösung entwickelt werden. In diesem Zusammenhang treten die Grünen auch für die
Aussetzung der Allgemeinen Wehrpflicht und die Einführung des Grundprinzips der Freiwilligkeit per 1.6.2000 ein. Diese Maßnahmen sollen Hand in Hand mit einem attraktiven Entgelt von 12.000 Schilling
für Wehr-und Zivildiener gehen, wodurch nach Ansicht der Grünen auch die derzeitigen Personalplanungsgrundlagen in Kraft bleiben könnten. Während einer Übergangsphase sollte überdies die friedens-
und sicherheitspolitische Zukunft des Landes im Rahmen eines runden Tisches auf eine neue Grundlage gestellt werden.
Weiters erneuern die Grünen ihre Forderung nach einer "ökosozialen Steuerreform". In einem Entschließungsantrag wird die Bundesregierung aufgefordert, eine solche Reform zu initiieren, die neben
einer spürbaren Senkung der Arbeitskosten durch Reduktion der Lohnnebenkosten auch eine Reduktion der Treibhausemissionen anvisieren soll. Dazu sollen u.a. eine Besteuerung fossiler Energieträger
sowie die Einführung fahrleistungsabhängiger Straßenverkehrsabgaben dienen. Geraume Zeit nach dem Gentechnik- und dem Frauen- Volksbegehren meinen die Grünen überdies, die Forderungen dieser beiden
Initiativen seien seitdem nicht genügend umgesetzt worden, weshalb sie in Entschließungsanträgen ein ergebnisorientierteres Agieren der Bundesregierung einmahnen.
Die grünen Anliegen zur Minderheitenpolitik wurden bereits bei der Plenarsitzung am 18. November debattiert. Auf der Agenda standen ihre Anträge zum Fremdengesetz, zur Gleichbehandlung
gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften und zum Schutz von autochthonen Minoritäten.
Das Fremde...
Geht es nach dem Willen der Grünen, so wird das Fremdengesetz einer Änderung unterzogen. So sollte die Familienzusammenführung großzügiger als bisher gehandhabt werden, wobei Familienangehörige
auch nicht länger von der Arbeit ausgeschlossen sein sollten, um die Integration zu befördern. Überdies soll der Paragraph 32 des FrG gestrichen werden, wonach Personen, "denen man ansieht, dass sie
irgendwann einmal nach Österreich zugewandert sind", jederzeit zur Ausweisleistung aufgefordert werden können, da für ihn keine Notwendigkeit bestehe und er realiter eine "Diskriminierung per Gesetz"
bedeute. Im übrigen sollten die Bestimmungen betreffend die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot von Personen an die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes angepasst werden.
Weiters wollen die Grünen eine Änderung des Asylgesetzes. Ihren Vorstellungen gemäß sollen v.a. die Drittstaat-Regelung und die Wahrscheinlichkeitsprüfung überdacht werden. So sollten Flüchtlinge,
die an der Grenze einen Asylantrag stellen, unverzüglich den Asylbehörden zwecks Einvernahme vorgeführt werden, da die Verweigerung der Einreise im gegenständlichen Falle nur das Schlepperunwesen
begünstigen würde. Überdies sollte das Konzept "sicheres Drittland" nur noch dann zur Anwendung kommen, wenn in jedem Fall auch geprüft wird, ob der Asylwerber in dem betreffenden Staat, in den er
zurückgeschickt werden soll, auch aufgenommen wird und seine Fluchtgründe in einem fairen, effizienten Asylverfahren inhaltlich und individuell geprüft werden. Überdies müssten nach Ansicht der
Grünen die Berufungsfristen erweitert werden.
Bei der Plenardebatte ging es G-Abg. Terezija Stoisits darum, dass von den Politikern endlich Taten erwartet würden, nicht länger nur Appelle. Dies vor allem vor dem Hintergrund des während des
letzten Nationalratswahlkampfs entstandenen Klimas, das von "Aufhetzung, Verhetzung und Ausgrenzung" geprägt gewesen sei.
FP-Abg. Helene Partik-Pablé hielt dem entgegen, der hohe Ausländeranteil in manchen Bezirken Wiens von bis zu 60 Prozent habe zu Problemen am Arbeits- und am Wohnungsmarkt geführt.
Integrationsmaßnahmen seien vor diesem Hintergrund besonders wichtig, doch habe die Politik von SPÖ und ÖVP nicht dazu beigetragen, dass Aus- und Inländer spannungsfrei zusammenleben könnten. Und
auch die Anträge der Grünen seien der Sache nicht dienlich, würden sie doch das Problem mit ihrem Plädoyer für eine ungehinderte Zuwanderung sogar noch verschärfen.
SP-Abg. Heidrun Silhavy plädierte für eine differenzierte Sichtweise in dieser sensiblen Thematik. Die Ängste der Bevölkerung basierten zumeist nicht auf persönlichen Erfahrungen, auch seien manche
Ängste nicht erklärbar, weil sie just von jenen Menschen artikuliert würden, die in Wohngebieten lebten, wo es keine Integrationsproblematik gebe.
Seitens der ÖVP trat Paul Kiss für eine kontrollierte Zuwanderung ein. Integration müsse Priorität vor Neuzuzug haben, generell brauche es vernünftige und exekutierbare Regelungen. Innenminister Karl
Schlögl sprach sich in diesem Zusammenhang für eine "menschliche Asylpolitik", für bestmögliche Integration und für Familienzusammenführung aus, votierte aber gleichzeitig gegen eine Neuzuwanderung,
"die den Arbeits- und Wohnungsmarkt überfordern würde". Entschieden wandte sich Schlögl gegen Ausgrenzung und Diffamierung ausländischer Mitbürger, wofür er auch Lob seitens G-Abg. Madeleine Petrovic
erhielt, die jedoch gleichzeitig den "unheiligen Geist" bekrittelte, der diesen Gesetzen innewohne. Dieser führe dazu, dass Menschlichkeit und Rechtstaatlichkeit mitunter nicht mehr vereinbar seien.
...anders...
Die Grünen starten erneut einen Anlauf, um Diskriminierungen homosexueller Personen und Lebensgemeinschaften zu beseitigen. Konkret urgieren sie eine Änderung der Zivilprozessordnung, des
Mietrechts-, des Wohnungseigentums-, des Allgem. Sozialversicherungsgesetzes etc. Inhaltlich geht es dabei u.a. um das Eintrittsrecht in Mietverträge, die Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher
LebensgefährtInnen bei der Mitversicherung sowie ein Zeugnisverweigerungsrecht von anders- & gleichgeschlechtlichen LebensgefährtInnen bei Zivilprozessen.
Weiters treten die Grünen für eine Streichung des § 209 StGB ein. Diese Bestimmung stellt homosexuelle Beziehungen unter Strafe, wenn ein Partner älter als 19, der andere jünger als 18 ist.
Heterosexuelle Handlungen sind in Österreich mit Jugendlichen ab 14 Jahren straffrei.
Ulrike Lunacek von den Grünen erklärte vor dem Plenum, ihre Anträge stünden in Zusammenhang mit der Toleranz gegenüber und dem Respekt von Menschen, "die etwas anders leben". Die Beibehaltung des
gegenwärtigen Schutzalters stehe im Widerspruch zu EU-Recht und sei in dieser Form in Europa einzigartig, gab sie zu bedenken.
Ablehnung zu den Vorschlägen der Grünen kam hingegen von VP-Abg. Maria Fekter. Ihrer Meinung nach wäre es schwierig, Lebensgemeinschaften nachzuweisen, ein Eintrittsrecht in Mietverträge käme im
übrigen einer Einschränkung der Vermieterrechte gleich. Die Streichung des gegenständlichen Paragraphen lehne sie ab, die konstatierte Menschenrechtswidrigkeit erscheine ihr zweifelhaft, meinte
Fekter.
Differenzierter argumentierte FP-Abg. Michael Krüger. Er plädierte für eine Senkung des Schutzalters auf 16 Jahre, was seines Erachtens einen vernünftigen Kompromiss darstelle, zumal viele junge
Menschen zwischen 14 und 16 die ersten sexuellen Kontakte hätten. SP-Abg. Peter Schieder forderte dagegen: "Beseitigen wir eine Ungerechtigkeit, die sich in einem Strafgesetz befindet". In diese
Richtung argumentierte auch sein Fraktionskollege Hannes Jarolim, der auf zahlreiche Entscheidungen, Hinweise und Aufforderungen von europäischen Instanzen, die geltende Regelung zu revidieren,
hinwies.
...die Minderheit
Gefordert wird weiters die Ratifikation der "Europäischen Charta über den Schutz der Regional- und Minderheitensprachen", die Transformation dieser Charta und des "Rahmenübereinkommens über den
Schutz nationaler Minderheiten" ins Bundesrecht sowie die Neukodifizierung des Volksgruppenrechts einschließlich einer entsprechenden Staatszielbestimmung.
Im Plenum trat Stoisits dafür ein, eine solche Staatszielbestimmung zur Achtung, Bewahrung, Förderung und zum Schutz der sprachlichen und kulturellen Vielfalt in der Verfassung zu verankern. SP-Abg.
Walter Posch signalisierte das Wohlwollen seiner Fraktion zu dieser Intention, da es sich dabei um eine symbolische Geste gegenüber den Minderheiten handeln würde. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck,
dass die Staatszielbestimmung noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden könne.
Der ehemalige Kärntner LH und nunmehrige VP-Abg. Christof Zernatto sprach von der gewachsenen kulturellen Vielfalt, die ein wesentlicher Bestandteil Österreichs sei, und plädierte dafür, die
Minderheitenfrage in aller Ernsthaftigkeit zu diskutieren. Ehe man eine Staatszielbestimmung beschließen könne, sollte man im Vorfeld die damit in Zusammenhang stehenden Fragen klären, gab Zernatto
dabei zu bedenken. Für die FPÖ wies Abg. Harald Ofner auf die Lage der Roma und Sinti hin, die immer noch darum kämpfen müssten, "normal und würdevoll" behandelt zu werden. Gleichzeitig erinnerte er
an die problematische Situation von "Alt-Österreichern deutscher Zunge" in Tschechien, der Slowakei und Slowenien.
Alle Grün-Anträge wurden nach ihrer Verhandlung im Plenum den zuständigen Fachausschüssen zur weiteren Behandlung zugewiesen.Õ
Andreas P. Pittler ist Redakteur der Parlamentskorrespondenz