Landesversammlung ohne grundlegende Fragen? Die Basis schäumt.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Still sein kann als politische Strategie taugen. Zumindest eine Zeit lang. Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel war ein Meister des Schweigens. Er wusste aber, wann es wieder Zeit war, zu sprechen. Denn wer zu lange schweigt, wird nicht mehr wahrgenommen, wenn er sein Schweigen bricht.
Die Wiener Grünen waren auf dem besten Weg zur Nichtwahrnehmung. Das katastrophale Wahlergebnis bei der Nationalratswahl, die internen Streitereien, ihre schwächelnde Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou haben sie mundtot gemacht. Und wahrscheinlich hätten sie noch weiter geschwiegen. Doch dann genehmigte das Bundesverwaltungsgericht den Bau des Lobautunnels und die Grünen sind wieder aufgewacht. Ein grünes Paradethema auf dem silbernen Tablett.
Seither ist die Partei thematisch wieder präsent. Die Forderung nach einer Citymaut, die Ausweitung des 365-Euro-Öffi-Tickets auf das Wiener Umland, der Bau von Markthallen. Die "Wiener Zeitung" hat berichtet.
Doch das Gerichtsurteil hat nicht nur die grüne Präsenz nach außen gefördert, es wirkt auch als Klebstoff zwischen den Lagern in der Partei. Hier sind sich alle einig: Der Bau des Tunnels durch den Nationalpark muss verhindert werden.
Die traute Einigkeit soll nun auch der Stimmungsaufheller bei der Landesversammlung am Samstag sein. 1300 Grünen-Mitglieder können dann über den Leitantrag "Nein zum Milliardengrab Lobau-Autobahn" abstimmen. Das Ergebnis wird wohl keine Überraschung sein.
Eingebracht werden sollen auch zwei Initiativanträge über die künftige Wahl von Spitzenkandidaten. Eine Arbeitsgruppe hat dazu einen Vorschlag ausgearbeitet. Um sich der Wahl stellen zu können, müsse man demzufolge 100 Unterstützungserklärungen vorweisen. Per Urabstimmung werde in einem weiteren Schritt der Spitzenkandidat gewählt. Die große Neuigkeit dabei: Es darf nur eine Person unterstützt werden.
"Das iststatutenwidrig"
An der Basis wird der Vorschlag kritisiert. Wenn man nur eine Person unterstützen darf, müsse ja überprüft werden, für wen man sich entschieden hat, erklärt ein grüner Insider. Die Wahl wäre daher nicht anonym, das Wahlgeheimnis nicht mehr gewahrt. "Das ist statutenwidrig, weil Personalentscheidungen geheim ablaufen müssen." Das werde sicher Diskussionen geben. Es sei möglich, dass diese Initiativanträge auch vertagt werden.
Doch egal, ob sich die Grünen zu einem neuen Prozedere der Spitzenkandidatenwahl durchringen können oder nicht. Die grundlegenden Fragen werden damit nicht berührt. Denn wer die Partei in die Wien-Wahl 2020 führen soll, bleibt ungeklärt. Die Abstimmung über den Lobautunnel und die Diskussion über das Prozedere sei eine "Beschäftigungstherapie für interne Querulanten", ärgert sich ein Insider. Es werde Aktivität vorgetäuscht, die Personalfrage werde hingegen elegant umschifft.
Damit stehen die Grünen vor einem entscheidenden Problem. Auf der einen Seite wäre eine kantige, inhaltliche Politik wie die Forderung nach einer Citymaut auch weiterhin dringend notwendig, um Wähler anzusprechen. Andererseits würde eine kontroversielle Themensetzung den Koalitionsfrieden mit der SPÖ gefährden und jenen Genossen Munition liefern, die baldige Neuwahlen fordern. Für die Grünen ein denkbar schlechtes Szenario. Denn für Neuwahlen sind sie ohne Spitzenkandidat nicht gerüstet.