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Grüne bremsen beim Pensionssplitting

Von Martina Madner

Politik

Die ÖVP sieht im Umverteilen von Pensionsbeiträgen zwischen den Eltern einen Beitrag gegen die Altersarmut von Frauen.


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Es war eines der konkretesten Vorhaben, das ÖVP und Grüne in ihrem Regierungsprogramm Anfang 2020 ankündigten: die Reform des Pensionssplittings. Weil das Aufteilen der Pensionsbeiträge zwischen den Eltern zugunsten des weniger gut verdienenden Elternteils nach 15 Jahren immer noch kaum in Anspruch genommen wird, sollte ein automatisches Pensionssplitting mit einer zeitlich befristeten Opt-out-Möglichkeit geschaffen werden. 

Mehr als zwei Jahre später ist das Vorhaben trotzdem nicht umgesetzt. Zugegeben: Es gab eine Pandemie. Die Ressortverantwortung wechselte bei beiden Parteien. Die Familienagenden übersiedelten von der Anfang 2021 zurückgetretenen Christine Aschbacher zu Ministerin Susanne Raab (ÖVP), die Pensionsagenden im grünen Sozialministerium wechselten von Rudolf Anschober zu Wolfgang Mückstein und am 8. März zu Johannes Rauch. Allerdings sagte Raab schon im Antrittinterview mit der "Wiener Zeitung", dass das Pensionssplitting "ganz oben auf meiner Prioritätenliste" stehe und es "ehestmöglich umgesetzt" werde. Die Materie sei aber komplex, insbesondere was Patchworkfamilien anbelangt.

Zwischenzeitlich war zwar von Verhandlungsfortschritten zu hören, allerdings konnte die Frauen- und Familienministerin auch zum heurigen Frauentag in Interviews nur der "wirklich höchsten" Priorität Nachdruck verleihen, nicht aber über das neue Gesetz sprechen. Es hakt also offenbar beim Koalitionspartner.

Pensionssplitting ist Minderheitenprogramm

Schon heute kann der erwerbstätige Elternteil freiwillig und für die ersten sieben Jahre nach der Geburt des Kindes bis zu 50 Prozent der Gutschriften im Pensionskonto an den Elternteil übertragen, der seine Zeit überwiegend der Kindererziehung widmet. Die Pensionsversicherungsanstalt rechnet vor, dass ein Vater mit einem Jahresbruttoeinkommen von rund 33.700 Euro, der 175 Euro seiner Pensionsgutschrift von 600 Euro seiner Ehepartnerin mit einem Teilzeit-Einkommen von rund 14.000 Euro überlässt, damit beide die gleiche Gutschrift von 425 Euro haben. Möglich wären auch 300 Euro gewesen. Die 175 Euro zusätzliche Gutschrift von ihrem Mann erhöhen ihre Pension später um monatlich 12,50 Euro, auf die er dann verzichtet.

Das klingt zwar nicht nach viel Geld, bezieht sich aber auch nur auf dieses eine Jahr von sieben möglichen Jahren. Und im türkis-grünen Regierungsprogramm ist zudem vermerkt, dass das Pensionssplitting künftig "bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres" des Kindes möglich sein soll, bis dahin kann im Moment nur der Antrag für die ersten sieben Lebensjahre des Kindes gestellt werden. Außerdem zeigen sich auf den Pensionskonten von Frauen und Männern, wie eine Rechnung des Finanzjournalismus-Forums auf Basis der Pensionskonto-Stände des Sozialministeriums zeigt, deutliche Unterschiede: Frauen zwischen 55 und 59 Jahren haben im Durchschnitt Gutschriften auf ihren Konten angesammelt, die später 14 Mal 992 Euro Monatspension bringen, Männern aber bereits 1.419 Euro.

Zwar ist die Anzahl der Elternteile pro Jahr, die ihre Beiträge splitten, laut aktuellen und bislang nur der "Wiener Zeitung" vorliegenden Daten aus dem Sozialministerium - möglicherweise durch etwas mehr Diskussion darüber - von 628 im Jahr 2019 auf 1.033 im vergangenen Jahr gestiegen. Vergleichen mit den 85.607 Geburten, jede davon ein möglicher Splittingfall, sind das trotzdem sehr wenige.

ÖVP und Neos klar pro Splitting, Grüne sind skeptisch

Dass das Pensionssplitting für die Grünen nicht das bevorzugte Mittel gegen Altersarmut von Frauen ist, verdeutlichte die grüne Frauensprecherin im Gleichbehandlungsausschuss im Nationalrat. Laut Meri Disoski müsse man "den Hebel woanders ansetzen", und zwar bei der Lohntransparenz und bei der Kinderbetreuung, wo es einen Rechtsanspruch ab dem ersten Lebensjahr geben solle.

Anders die Neos, die brachten einen Entschließungsantrag ein, dass die Regierung die Automatisierung des Pensionssplittings vorantreiben möge. Denn, so Henrike Brandstötter, Frauensprecherin der Neos, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Das Pensionssplitting würde vor allem die Abhängigkeit der Frauen von ihren Ehepartnern verringern und somit auch Frauenaltersarmut reduzieren." Die Neos würden beim Splitting weiter gehen als die Regierung. Auch Pensionsbeiträge, die aus Kindererziehungszeiten stammen, sollten wie solche beider Eltern künftig zusammengerechnet und dann halbe-halbe aufgeteilt werden.

Weil es während der Kindererziehungszeiten bis zu vier Jahre lang Pensionsbeiträge wie von einem Einkommen über 2.027,75 Euro (2022) monatlich gibt, bekäme ein geringer verdienender Vater bei einem Paar, das sich die Arbeit rund ums Kind traditionell aufteilt, von der Mutter, die zu Hause bleibt, Pensionsbeiträge. Ist das im Sinne der Erfinderin? Laut Brandstötter schon, denn: "So ist es auch ein Anreiz, dass man herauskommt aus zu langen Karenzzeiten." Außerdem sei es ein Anreiz, der Väter mit niedrigerem Einkommen als ihre Partnerin zur Kinderkarenz motivieren könne.

Wohin die Reise mit dem neuen Gesetz genau geht, will Ministerin Raab nicht sagen. Auf Anfrage der "Wiener Zeitung" lässt sie schriftlich ausrichten: "Ein Gesetzesvorschlag für ein automatisches Pensionssplitting liegt bereits am Tisch. Zuständig für die Umsetzung ist der Sozialminister und ich sehe mit dem Ministerwechsel nun auch eine neue Chance, das Vorhaben rasch umzusetzen."

Johannes Rauch selbst äußert sich noch nicht zum Thema. Aus dem Sozialministerium aber heißt es aktuell: "Altersarmut von Frauen und insbesondere der Gender-Pensions-Gap muss nachhaltig bekämpft werden. Das automatische Pensionssplitting kann dabei aber allenfalls ein Beitrag sein." Wichtig sei zudem, die zu Grunde liegenden Probleme anzugehen, wie etwa die Aufteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit und die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern. Details gibt es auch hier nicht, sondern: "Die Gespräche mit dem Koalitionspartner laufen."