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Grüne fordern volle Aufklärung

Von Walter Hämmerle

Politik

Pilz: "Das ist ein Nato-Papier, kein europäisches". | Generalstabschef: "Arbeit längst noch nicht abgeschlossen." | Wien. Im Dezember 2001, als ÖVP und FPÖ gegen die Stimmen von Rot-Grün eine neue Sicherheitsdoktrin beschlossen, prophezeite der Sicherheitssprecher der Grünen, Peter Pilz, dieser kein langes Leben: Mit der Abwahl von Schwarz-Blau würden auch deren sicherheitspolitische Leitlinien der Vergangenheit angehören, zeigte er sich damals felsenfest überzeugt. | Klammheimlich auf NATO-Kurs?


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Nun, ganz sollte Pilz nicht recht behalten, immerhin ist das Kanzleramt seit 2006 wieder in SPÖ-Hand - und das Verteidigungsministerium gleich dazu; dennoch herrschte bis 2009 an der sicherheitspolitischen Front eine Nachdenkpause. Damit ist es seit vergangenem Freitag, als die "Wiener Zeitung" exklusiv über einen Entwurf für eine neue Sicherheitsdoktrin berichtete, aber vorbei.

Schweigen aus dem Verteidigungsressort

Der Entwurf hat es tatsächlich in sich, enthält er doch etliche Passagen, die wohl auf erheblichen Widerstand treffen werden. Insbesondere die stärkere Nato-Anlehnung, das Hinarbeiten auf eine Teilnahme Österreichs an einer europäischen Beistandsverpflichtung sowie der Verzicht auf ein zwingendes UNO-Mandat bei internationalen Einsätzen dürften noch für Gesprächsstoff sorgen.

Während sich das Verteidigungsministerium in Schweigen hüllt und auf das Kanzleramt als Koordinationsstelle für die Arbeiten an der neuen Sicherheitsdoktrin verweist, meldet sich zumindest General Edmund Entacher, Generalstabschef des Bundesheeres, zu Wort. Er sagt zur "Wiener Zeitung", dass es sich bei dem vorliegenden Konzept um einen Entwurf handle, der politisch noch nicht überarbeitet worden sei. Zudem sei die Arbeit an einer neuen Sicherheitsdoktrin noch längst nicht abgeschlossen.

UNO-Mandat auchjetzt nicht zwingend

Zu den in die Kritik geratenen Passagen nimmt Entacher konkret Stellung: Ein UNO-Mandat als zwingende Voraussetzung für einen internationalen Einsatz finde sich auch in der geltenden Sicherheitsdoktrin nicht, hier wolle sich die Politik offenbar selbst nicht mehr binden als unbedingt notwendig. Er verweist aber auf die politische Praxis, wonach es auch bisher keine österreichische Beteilinung ohne UNO-Mandat gegeben habe.

Bei der angestrebten Teilnahme an einem Raketenabwehrschild spricht der Generalstabschef von "sehr, sehr langfristigen Gedankenspielen von Experten", die "auch bei sehr kühner Fantasie nur in einem finanziellen Beitrag bestehen könnten": "Wir werden ganz sicher nicht ein polnisch-tschechisches Problem nach Österreich projezieren", so Entacher in Anspielung auf den heftigen politischen Streit um die Stationierung eines Raktenabwehrsystems.

Zum Ziel einer Teilnahme an einer EU-Beistandsverpflichtung verweist er auf den Lissabon-Vertrag und das Neutralitätsgesetz, die beide Österreichs Sicherheitspolitik bestimmen. Man wolle sich die europäische Solidarität offen halten, jedoch "keinen Blankoscheck" ausstellen. Dass Österreich künftig eine Führungsbrigade im Rahmen der so genannten EU-"Battle Groups" stellen wolle, geschehe auf Empfehlung der Bundesheer-Reformkommission.

Sehr viel heftiger fällt dagegen die Reaktion von Peter Pilz aus: In der EU finde derzeit die heikle Debatte statt, ob in Zukunft die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik eigenständig, aber in Partnerschaft mit den USA, erfolgen werde oder aber im Rahmen der Nato unter Führung der USA. Für Pilz ist "dieser Entwurf ein Nato-Papier und kein europäisches".

Pilz fordert von Regierung Aufklärung

Der Grünen-Politiker will nun im Nationalen Sicherheitsrat Anfang kommender Woche und im Außenpolitischen Ausschuss am 9. März Aufklärung von der Regierung über die Hintergründe für diesen Entwurf verlangen.

Weniger aufgeregt reagiert dagegen der Sicherheitsexperte Gerald Karner. Er sieht im Entwurf eine lineare Fortschreibung des Lissabon-Vertrages - "für Experten ist da nichts Sensationelles". Die starke Anlehung an die Nato erkläre sich aus dem Umstand, dass es sich noch um ein Beamten-Papier handle, das auf politischer Ebene noch erheblich überarbeitet werde. An der Tatsache, dass sich "Österreich strukturell wie ein Nato-Mitglied verhalten muss, um die Interoperabilität bei internationalen Einsätzen zu gewährleisten", besteht für ihn aber kein Zweifel.

Keine Freude hat Karner dagegen mit der Geheimniskrämerei der Regierung: "Wichtig ist, dass möglichst offen über alle diese Fragen diskutiert wird. Was dann konkret herauskommt, ist dann fast schon wieder egal."