)
Cap lehnt Mehrheiten jenseits der Regierungsfraktionen ab. | Regierung muss Parlament rechtzeitig einbeziehen. | Der SPÖ reicht Straches Erklärung. | "Wiener Zeitung":Der langjährige ÖVP-Abgeordnete Gottfried Feurstein hat im "Wiener Zeitung"-Interview den Nationalrat kritisiert. Ein Gesetz wie jenes zur 24-Stunden-Betreuung, wo bis heute die Finanzierung nicht klar ist, hätte man früher nicht beschlossen. Verlassen sich die Abgeordneten zu sehr auf die Regierung?
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Josef Cap: Es wurden früher auch schon Gesetze beschlossen, wo sich im Nachhinein herausgestellt hat, dass es dafür keine Finanzgrundlage gibt. Im Übrigen geht es jetzt darum, dass wir ein "Parlament neu" entwickeln. Das heißt, neue Umgangsformen mit den Oppositionsparteien. Wenn diese gute Ideen haben, wollen wir versuchen, diese einzuarbeiten. Und es geht um die Stärkung der Minderheiten- und Kontrollrechte. Im Zuge der Geschäftsordnungsreform sollen kleine Fraktionen die Möglichkeit erhalten, einen Untersuchungs-Ausschuss einzusetzen, und die Opposition soll auch bessere und fristgerechtere Informationen erhalten. "Parlament neu" bedeutet aber auch, dass die Regierungsfraktionen im Parlament auf Augenhöhe mit den Ministern sind. Also eine Einbeziehung der Abgeordneten schon vor der Begutachtung eines Gesetzes, sodass sie mitgestalten können. Ein Team zwischen Regierungsmitgliedern, Beamten und Parlamentariern sollte zusammen arbeiten.
Die Geschäftsordnungsreform, in der die Minderheitenrechte gestärkt werden sollen, ist ja noch nicht weit fortgeschritten.
Da müssen sich fünf Parteien einigen. Das ist ein langwieriger Prozess.
Der wann beendet sein wird?
Das kann man noch nicht sagen. Da braucht man Zwei-Drittel-Mehrheiten.
Was kann die SPÖ der ÖVP anbieten, damit sie besseren Minderheitenrechten zustimmt?
Das ist ja kein Basar. Aber auch die ÖVP könnte sich einmal in der Opposition wiederfinden und ist daher gut beraten, für die Stärkung der Minderheiten- und Kontrollrechte im Parlament einzutreten.
Zuletzt konnte sich die Regierung auf den Entwurf zur Novelle des Kindergeldes nicht einigen. Die SPÖ wünscht sich ein flexibleres Modell mit Arbeitszeitverkürzung und auch eine Ausdehnung des erhöhten Kindergeldes von 800 Euro für Alleinerzieherinnen auf 18 - statt wie vorgesehen 15 - Monate. War das Parlament eingebunden?
Das ist ein klassisches Beispiel, wo das nicht der Fall war. Das zeigt, wie notwendig ein System ist, in dem das Parlament rechtzeitig einbezogen wird. Aber Familienministerin Kdolsky hat auch Frauenministerin Bures nicht eingebunden. In Zukunft sollen sowohl die Regierungsparteien im Parlament als auch ein Minister der jeweils anderen Partei schon im Entwurfprozess involviert sein.
Gibt es für die SPÖ jetzt noch eine Möglichkeit, ihre Wünsche durchzubringen?
Im Gesetz steht nur die von Bures ins Regierungsprogramm reklamierte Flexibilisierung des Kindergeldes. Es muss aber möglich sein, Teile des Regierungsübereinkommens noch zu verbessern. Die Regierungsparteien müssen ja ohnehin einen Kompromiss finden.
Die Grünen haben der SPÖ angeboten, im Nationalrat gemeinsame Sache zu machen, sollte die ÖVP da nicht mitgehen. Reizt Sie so ein Angebot nicht?
Ich möchte nur daran erinnern: Die Grünen haben eine historische Chance verpasst. Sie hätten eine Minderheitsregierung stützen können, sie hätten sich einbringen können in eine neue Regierungsform mit wechselnden Mehrheiten im Parlament. Das haben sie nicht gemacht. Die Grünen sind daher die denkbar schlechtesten Zurufer für wechselnde Mehrheiten oder für Mehrheiten jenseits der Regierungsfraktionen.
Für eine Teamarbeit muss auch die Zusammenarbeit mit dem Koalitionspartner funktionieren. Wie gut ist die Basis dafür zwischen Ihnen und ÖVP-Klubobmann Wolfgang Schüssel?
Es gibt eine Kooperation auf vielfältigster Ebene zwischen den beiden Parlamentsfraktionen, auf der Ebene der Bereichssprecher, auf der Ebene der Klubpräsidien und bei bestimmten Fragestellungen selbstverständlich auch den Kontakt zwischen dem ÖVP-Klubobmann und mir.
Wie oft gibt es diesen Kontakt?
Das ist eine Art professionelle Distanz und trotzdem aber eine Kooperation, die ergebnisorientiert ist.
Können Sie das konkretisieren? Wie oft treffen Sie ihn?
Ich führe kein Tagebuch.
Politikwissenschafter sagen, man könne zwischen FPÖ und BZÖ kaum Unterschiede feststellen - außer einer gewissen politischen Affinität: Das BZÖ tendiert mehr zur ÖVP, die FPÖ mehr zur SPÖ. Hält sich die SPÖ die Option einer Zusammenarbeit mit der FPÖ offen?
Ich habe den Eindruck, die FPÖ sucht weder ein Naheverhältnis zur ÖVP noch zur SPÖ, sondern sucht einen Weg, wie sie möglichst eigenständig und autonom ihre Politik entwickeln kann. Und so gibt es mit der FPÖ Punkte, wo wir uns scharf unterscheiden und Punkte, wo wir durchaus Konsens erzielen können. Im Rahmen des Parlaments neu eine Art, die sich von früher unterscheidet. Es hat keinen Sinn demokratisch gewählte Parteien zu diabolisieren. Das Parlament ist der Ort des Dialoges - so halten wir es mit allen Parteien hier im Haus.
Hat sich FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache schon genügend von seinen Jugendtorheiten distanziert oder sollte er da noch eine Klarstellung vornehmen. Vor allem was seine Aktivitäten in der Wiking-Jugend betrifft?
Ich kenne eine Stellungnahme des Kollegen Strache, in der er sich vom Nationalsozialismus, von Totalitarismus und Rassismus distanziert und gehe davon aus, dass da selbstverständlich die Wiking-Jugend mit-inbegriffen ist.
Das war vor Bekanntwerden seiner Treffen mit der Wiking-Jugend. Das reicht also?Das war eine öffentliche Erklärung. Ich kann mich nicht erinnern, Ähnliches von Jörg Haider gehört zu haben.
Strache hat zuletzt vorgeschlagen, das Tragen des Kopftuchs im öffentlichen Raum (also Schulen, Universitäten, Ämtern) zu verbieten. Wäre das ein Thema, wo die SPÖ mit der FPÖ gemeinsame Sache machen könnte?
Es gibt bei uns Religionsfreiheit. Der Islam ist eine anerkannte Religionsgemeinschaft. Wir haben natürlich auch eine klare Trennung zwischen Kirche und Staat. Basis jeder Religionsfreiheit ist, dass sich jeder mit Symbolen seiner Religion umgeben kann.
Warum eigentlich nicht? Von Linker Seite wird ja der Türkei vorgeworfen, mit der Aufhebung des Kopftuchverbots an den Unis einen Schritt weiter in einen religiösen Staat zu gehen. Auch Alice Schwarzer kämpft mit ihrer "Emma" seit 30 Jahren gegen das Kopftuch an.
Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit, dass Musliminnen frei entscheiden, ob sie ein Kopftuch tragen oder nicht. Nicht diskutieren kann man über die Schulpflicht, über die Teilnahme am Turnunterricht, über die Akzeptanz von Lehrerinnen.
Die SPÖ galt stets als erweiterungs-skeptisch: Was sagen Sie zu den Plänen, die Türkei und vielleicht sogar die Ukraine in die Union aufzunehmen?
Da bin ich sehr skeptisch, anders als etwa bei Serbien und Kroatien. Einen Beitritt der Türkei oder der Ukraine müsste man unbedingt durch eine Volksabstimmung bestätigen.
Die Menschen fragen sich, wozu eine große Koalition eigentlich gut sein soll. Die großen Projekte sind ja bisher ausgeblieben. Welche Rechtfertigung gibt es wirklich dafür?
Das Wahlergebnis vom 1. Oktober 2006 hat als einzige Zweierkoalition eine Zusammenarbeit von SPÖ und ÖVP ermöglicht. Ansonsten hätte man eine Dreier-Koalition bilden müssen, was nicht möglich war. Als große Projekte sehe ich das Gesundheitssystem, die Erhaltung der Finanzierbarkeit des Pensionssystems und Verteilungsgerechtigkeit als große Aufgaben.
ÖVP und SPÖ wollen doch in sehr unterschiedliche Richtungen. Wäre ein Mehrheitswahlrecht nicht sinnvoller?
Das britische Wahlsystem wird nach wie vor in beiden Parteien diskutiert. Ich möchte aber schon darauf hinweisen, dass die Kooperation besser geworden ist. Es geht darum, Konflikte so auszutragen, dass die Österreicher wissen, wer welche Position vertritt. Der Ton macht die Musik.