Durch das Kurz-Verfahren droht weitere Politisierung der Ermittlungsarbeit. Die Justizministerin in zentraler Rolle.
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Die Ermittlungen rund um ÖVP-Obmann Sebastian Kurz werden Justizministerin Alma Zadic (Grüne) noch lange beschäftigen. Frühestens im Laufe des nächsten Jahres werde feststehen, ob Kurz in der Inseratenaffäre angeklagt werde, prognostizierten Strafverteidiger am Wochenende. Folgt auf eine Anklage eine Hauptverhandlung, könnten Jahre vergehen, bis es zu einem rechtskräftigen Urteil kommt.
Der ermittelnden Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) steht damit eine herausfordernde Zeit bevor. Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz und andere Vertreter der ÖVP haben mehrfach beklagt, dass die Behörde von Linken und Sozialdemokraten unterwandert sei und Politiker der Volkspartei aus rein parteiischen Motiven verfolge.
Dass die Volkspartei von dieser Verteidigungsstrategie abweicht, ist kaum zu erwarten. Noch am Dienstag, einen Tag vor der Hausdurchsuchung in der Zentrale der ÖVP, sprach Nationalratsabgeordneter Andreas Hanger (ÖVP) von "linken Zellen", die in der WKStA tätig seien. Die Vorwürfe rund um die Inseratenaffäre wurden von Kurz und hochrangigen Vertretern der ÖVP als "konstruiert und falsch" bezeichnet.
Bereits im Ibiza-U-Ausschuss war die WKStA von den Parteien für ihre jeweilige Agenda vereinnahmt und politisiert worden. Beim nächsten U-Ausschuss, der sich um die Ermittlungen gegen Kurz drehen wird, droht ihr nun das gleiche Schicksal.
"Garant für unabhängige Justiz"
Die WKStA und ihre Ermittlungen gegen Politiker der ÖVP werden damit ein Hauptthema der österreichischen Innenpolitik bleiben. Welche wichtige Rolle die Grünen Justizministerin Zadic dabei zuschreiben, zeigte sich bereits am Wochenende: Neben der Umsetzung geplanter Gesetzesvorhaben wie der ökosozialen Steuerreform wird Zadic von den Grünen als der Hauptgrund genannt, warum sie die Koalition mit den Türkisen fortsetzen.
"Alma Zadic ist der Garant dafür, dass die Justiz in ihren Ermittlungen nicht eingeschränkt wird - auch das ist durch die Fortsetzung der Regierungsarbeit garantiert", erklärte am Sonntag die steirische Grünen-Chefin Sandra Krautwaschl. Ähnlich bis wortgleich waren die Reaktionen der grünen Parteispitzen aus anderen Bundesländern.
Die Österreicher würden erwarten, dass die schwerwiegenden Vorwürfe rest- und lückenlos aufgeklärt werden, meinte etwa Stefan Kaineder, Chef der Grünen in Oberösterreich. Justizministerin Zadic sei Garantin dafür, dass eine unabhängige Justiz dies auch ungehindert umsetzen werde.
Doch während die Grünen Zadic ausgiebig in ihre Kommunikationsstrategie einbauen, gibt sich die Justizministerin selbst bisher zurückhaltend. Rund um die Regierungskrise war von Zadic selbst öffentlich wenig zu vernehmen. Nach der Razzia bei der ÖVP stellte sich sie sich am Donnerstag "schützend" vor die Ermittler. Sie wolle dafür sorgen, dass "die Staatsanwaltschaft unabhängig von politischer Einflussnahme arbeiten kann". Weitere Aussendungen oder Stellungnahmen blieben danach aus.
Im Visier der Volkspartei
Am Montag gab Zadic dann per Aussendung bekannt, den EU-Justizkommissar Didier Reynders empfangen zu haben: "Themen waren der erwartete Vorschlag der Europäischen Kommission zum Lieferkettengesetz und der Rechtsstaatlichkeitszyklus der EU." Wie vom Justizministerium zu erfahren war, "hat es dabei am Rande auch einen Austausch über die innenpolitische Lage in Österreich gegeben". Zu näheren Inhalten diesbezüglich gab es aber keine Auskunft.
Die Zurückhaltung könnte demnächst an ihre Grenzen stoßen: Mit dem Kurz-Verfahren und dem neuen Untersuchungsausschuss wird auch die Justizministerin wieder ins Visier der ÖVP geraten. Bereits im Ibiza-U-Ausschuss haben die Abgeordneten der ÖVP Zadic teils deutlich härter attackiert als jene der Opposition. Ob die Justizministerin ihr Ressort denn nicht im Griff habe, stellte Abgeordneter Hanger dort etwa in den Raum. Wie schlecht die ÖVP auf Zadic zu sprechen ist, zeigte sich auch bei ihrer Befragung im Ausschuss Ende Juni. Damals kritisierten ÖVP-Politiker Zadic mehrfach in harschem Ton.
Nach weiteren heftigen Diskursen um die Justiz hatte Zadic Ende Juli gefordert: "Diese ständige Politisierung der Debatte, aber auch der Staatsanwaltschaft muss ein Ende haben." Damit ist in den nächsten Monaten allerdings nicht zu rechnen.