Grünen-Chefin Eva Glawischnig: Debatte um Asyllager "unsägliches Schauspiel". | Entscheidung über Bundespräsident im Februar. | Seggau. Armutsbekämpfung und Klimaschutz. Diese beiden Themen hat die grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig am Donnerstag zum Auftakt der zweitägigen Neujahrsklausur im steirischen Schloss Seggau als Arbeitsschwerpunkte der Ökopartei 2010 ausgerufen. Daneben hagelte es vor allem Kritik an den anderen Parteien, die grüne Zukunft sieht Glawischnig im Interview hingegen rosig.
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"Wiener Zeitung":In letzter Zeit sind die Grünen in der öffentlichen Diskussion kaum präsent. Ist das Taktik?Eva Glawischnig: Ich habe überhaupt nicht den Eindruck, dass wir nicht präsent sind. Wir haben uns nur bei einer Debatte wirklich bewusst anders positioniert: Beim Flüchtlingslager Eberau. Hier geht es nicht um ein Flüchtlingsproblem oder um eine Sachfrage, sondern hier geht es darum, wie man politische Themen missbraucht, um einen politischen Schützengraben-Krieg auszutragen. Hier wird auf dem Rücken von Menschen der Wettlauf, wer der bessere, wer der ärgere Rechtspopulist ist, geschürt. Und da spielen wir nicht mit. Wir sind jederzeit für Lösungen zu haben und wir haben auch gute Lösungen vorgeschlagen, aber an diesem unsäglichen Schauspiel beteiligen wir uns nicht.
Aber die Grünen haben sich auch nach dem Klimagipfel von Kopenhagen zurückgehalten.
Ehrlich gesagt, ich war über Weihnachten mit meiner Familie zu Hause. Aber Eva Lichtenberger war als einzige Europaabgeordnete in Kopenhagen. Ich glaube generell, dass die Kommentierung und die Empörung bei allen gleich war: Eine große Enttäuschung - die Ergebnisse von Kopenhagen sind nicht einmal rechtlich verbindlich, auch nicht einmal beschlossen, sondern nur zur Kenntnis genommen. Für uns lautet der Auftrag für 2010 nun: Klimaschutz, jetzt erst recht.
Sie haben in Ihrer Rede bei der Neujahrsklausur gesagt, die Grünen hätten bei vielen Themen die Mehrheit der Gesellschaft hinter sich. Nun sind aber die Grünen seit der letztern Nationalratswahl die kleinste Parlamentspartei. Was ist da schiefgelaufen?
Seit dem Austritt von drei Mandataren aus dem BZÖ sind wir wieder die viertstärkste Partei und das BZÖ ist die kleinste. Es gibt in vielen Ländern rechtspopulistische Parteien, sie sind nur nicht so erfolgreich. Und in Österreich sind sie auch deswegen so erfolgreich, weil ÖVP und SPÖ inhaltlich nichts entgegensetzen, sondern weil sie diesen ganzen Konzepte mittlerweile salonfähig machen. Und wir sind da die einzige Kraft am anderen Ende der Skala.
Aber wieso wählen die Menschen dieses andere Ende der Skala weniger?
Erstens haben wir in Österreich die Landesregierung verteidigt, das ist ein sehr schöner Erfolg. Wir haben in Vorarlberg in einer sehr polarisierten Auseinandersetzung deutlich dazu gewonnen und ich sehe auch für die Steiermark und für Wien große Potenziale. Ich habe für dieses Jahr sehr viel Zuversicht und Optimismus, dass sich das auch in Wahlerfolge ummünzen wird.
Welche Ergebnisse erwarten Sie sich für die Steiermark und Wien?
Zahlenmäßig möchte ich mich nicht festlegen. In Wien sind wir schon auf 15 Prozent, aber da ist sicher noch etwas drinnen. Ziel ist für mich bei diesen Landtagswahlen in erster Linie Gestaltungsmöglichkeit, das heißt auch eine Regierungsbeteiligung der Grünen. Das ist überall und auch mit unterschiedlichen Zugewinnen möglich. Die SPÖ wird die absolute Mehrheit im Burgenland verlieren und auch in Wien, wie das Amen im Gebet. Dann muss sich die SPÖ entscheiden, wir haben die Chance auf rot-grüne innovative Projekte.
Kann es nicht sein, dass die Grünen in Wien im Duell Häupl-Strache zermahlen werden?
Das ist ja ein Schein-Duell. Jeder weiß, dass die SPÖ weiterhin den Bürgermeister stellen wird. Und Strache wird nie Vizebürgermeister werden. Egal, wie dieses sogenannte Match ausgeht, die entscheidende Frage ist, ob die ÖVP oder die Grünen dann die Weichen stellen. Die Lokomotive ist rot, das ist klar.
Sie wollen im kommenden Jahr Themen wie Klimaschutz, Armut und Einpersonenunternehmen stärker angehen. Liegen sie damit nicht zu sehr im Mainstream der Parteien? Bräuchten die Grünen nicht ein stärkeres eigenes Profil?
Das ist eine wichtige Frage, gerade vor dem Hintergrund, dass sich gerade die Konservativen grüner Begriffe bemächtigt haben - zum Beispiel beim Klimaschutz. Das ist eine Glitzerfassade, aber dahinter ist Business as usual auf die brutalste Art und Weise: Die österreichische Klimabilanz ist ein Desaster. Wir müssen auf unseren Themen draufbleiben und dürfen uns auch die Begriffe nicht wegnehmen lassen. Es ist auch wichtig, den Vorhang wegzureißen und zu zeigen, was dahinter passiert. Etwa unterschreiben alle Parteien die Armutsbekämpfung, nur die Realität geht in eine ganz andere Richtung. Deswegen ist es für uns auch Arbeitsschwerpunkt.
Aber es geht um das Profil der Grünen als Oppositionspartei: Das BZÖ versucht es mit einem liberalen Kurs, die FPÖ setzt auf das Ausländerthema - auf welches Thema setzen die Grünen?
Wir sind die einzige Partei mit Rückgrat. Nach wie vor ist unser zentrales Hauptanliegen die ökologisch-solidarische Gesellschaft.
Sie haben aber kein konkretes Thema, mit dem Sie sich von den anderen absetzen können.
Wir setzen uns gerade mit diesen Themen ganz fundamental ab. Die Frage nach den Grund- und Menschenrechten ist für alle anderen mittlerweile verhandelbar - da wird über Minderheiten abgestimmt. Und beim Klima- und Umweltschutz, aber auch bei der sozialen Verteilungsdiskussion ist mittlerweile auch klar: Die ÖVP will die Superreichen nicht angreifen, sondern die Grundsicherungsbezieher als erste beim Transferkonto vorführen und die SPÖ hängt sich an die ÖVP an und sagt, "wir würden ja gerne, aber wir dürfen ja nicht". Ich sehe gerade in diesen Landtagswahlkämpfen für uns jetzt sehr viel Platz. Denn die Leute lassen sich ja nicht ewig für dumm verkaufen.
Sie wollen sich bei der Entscheidung über eine grünen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl nicht hetzen lassen. Gibt es einen Zeithorizont?
Das ist der Stichtag für die Bewerbung (wahrscheinlich der 26. März, Anm.). Wir werden es spätestens im Februar entscheiden. Beim erweiterten Parteivorstand im Jänner werden wir es noch einmal diskutieren, weil da hoffentlich klar sein wird, ob die ÖVP kandidiert. Wenn Fischer alleine antritt, müssen wir wirklich überlegen, ob sich eine Kandidatur auszahlt.