Vassilakou bringt das Heumarkt-Projekt gegen Widerstände durch. Die Krise wird sie aber nicht los.
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Wien. Die Mehrheit des Gemeinderats stimmte für die Umwidmung des Heumarkts und damit für den 66 Meter hohen Luxuswohnturm des Investors Michael Tojner. Das Projekt, für das sich die SPÖ und die grüne Planungsstadträtin Maria Vassilakou starkgemacht haben, kann somit verwirklicht werden.
Die SPÖ ist zufrieden. Nur bei den Grünen kann sich niemand so richtig über das Ergebnis freuen. Die vorangegangene Debatte über den Turm hat die Partei in zwei Lager gespalten und Vassilakou geschwächt. Drei der zehn grünen Abgeordneten stimmten nicht mit ihrer Parteichefin für die Umwidmung.
Zum Bruch kam es nach der parteiinternen Urabstimmung im April. Die Mehrheit der Wiener Grünen sprach sich dabei gegen den Heumarkt-Turm aus. Nachdem es ursprünglich hieß, dass die Urabstimmung bindend sei, ignorierte Vassilakou das Ergebnis und ließ den Abgeordneten im Gemeinderat freie Hand.
Zum Unverständnis jener Parteimitglieder, die sich gegen den Turm des Investors ausgesprochen haben. Auch eine Aussprache half nichts. Seither lichten sich die Reihen hinter Vassilakou.
Ein Geschenkfür Häupl
Für den roten Koalitionspartner ist dieser Umstand ein unerwartetes Geschenk. Die Genossen sind selbst zerstritten und in zwei Lager aufgeteilt. Wer Bürgermeister Häupl nach seinem angekündigten Rücktritt im Herbst folgen soll, ist unklar.
Doch zumindest gibt es nun keinen grünen Koalitionspartner mehr, der von der Schwäche der SPÖ profitiert. Anders als in der ersten rot-grünen Legislaturperiode - in der die Grünen die Themen bestimmten und die SPÖ-Funktionäre inhaltlich kaum etwas entgegenzusetzen hatten -, können sich die Genossen nun in Ruhe mit sich selbst beschäftigen.
Es bleibt sogar Zeit, die Schwäche Vassilakous auszunutzen. Zuletzt musste sie sich von Häupl sogar vorführen lassen. Es ging um einen Straßenabschnitt auf dem Getreidemarkt im 6. Bezirk. Statt einer Autofahrspur soll ein Radweg entstehen. Das Vorhaben ist bereits von Rot-Grün beschlossen worden. Häupl ließ trotzdem anklingen, dass es noch Änderungsspielraum gibt: "Ganz einfach, wir schauen uns das noch einmal an."
Vassilakou zeigte sich irritiert und musste die Häme von der Opposition ertragen. Häupl konnte hingegen als Macher auftreten, indem er vermittelte, dass er das letzte Wort habe, obwohl Verkehrsfragen im Ressort der grünen Parteichefin angesiedelt sind.
Die Wiener leben so, wiees die Grünen immer wollten
Doch was läuft falsch bei den Grünen? Immerhin waren sie mit ihrer Politik erfolgreich. Die Autofahrerpartei ÖVP unterstützt Begegnungszonen, wie etwa in der Herrengasse im 1. Bezirk. Selbst die FPÖ spricht sich mittlerweile für den Ausbau von Radwegen aus. Die Wiener leben ebenfalls so, wie es sich die Grünen immer wünschten. Sie trennen ihren Müll, sind Besitzer der Öffi-Jahreskarte und heizen ihre Wohnungen mit Öko-Strom.
Nur werden sie dafür nicht gewählt. Schon bei den vergangenen Wien-Wahlen mussten die Grünen ein Minus hinnehmen. Bei den Nationalratswahlen im Oktober werden sie große Mühe haben ein zweistelliges Ergebnis zu erzielen. Die Wiener Partei steht für eine Entwicklung, von der die Bewegung in ganz Österreich betroffen ist. Wie der rote Koalitionspartner sind sie zu einer Verwaltungspartei geworden. Zu angepasst, zu träge, zu saturiert. Neue Ideen sind Fehlanzeige. Die Grünen geben sich damit zufrieden, dass ihre Politik auch von anderen Parteien umgesetzt wird.
Die Grünen haben es außerdem verabsäumt, über den Tellerrand der innerstädtischen Kleinbezirke hinauszukommen. Dabei gibt es viele grünaffine Wiener in den Flächenbezirken. Das Naturbewusstsein der Donaustädter und Floridsdorfer ist sehr hoch. Die großzügigen Flächen mit Wäldern, Wiesen und Feldern sind ein wichtiger Teil der Bezirksidentität. Durch die Ausübung des Planungsressorts haben es die Grünen sogar selbst in der Hand, die stark wachsenden Bezirke zu gestalten. Dennoch schlägt der Partei dort heftiger Wind entgegen. Zu abgehoben sei die Partei, von Dialog und der Erhaltung von Grünraum könne keine Rede sein, so die Vorwürfe.
Und dann ist da noch das Problem mit der Stadtplanung. "Vassilakou hat als Planungsstadträtin losgewurschtelt und danach weitergewurstelt. Es gibt keinen Masterplan zu Umwidmungen", sagt ein grüner Insider, der nicht genannt werden will. Der Obmann der Grünen Bildungswerkstatt Wien, Michael Schmid, bestätigte dies im Interview mit der "Wiener Zeitung". Es gebe keine parteiinternen Beschlüsse zu Stadtplanung, sagte er. "Alles was im Büro Vassilakou passiert und umgesetzt wird, ist im wesentlichen Ergebnis von Beamtenarbeit. Das soll diese Tätigkeit nicht kleinreden, aber es gibt kein gemeinsam akkordiertes Wollen der Grünen", erklärte Schmid.
Der Konflikt rund um den Heumarkt-Turm ist also hausgemacht. Und die nächste Bedrohung lauert ums Eck, wie Schmid im Interview offenbarte. Auch auf dem Areal der Trabrennbahn Krieau im 2. Bezirk soll gebaut werden. "Und wenn dann dort, statt der alten Ställe, neue Türme stehen, haben wir die Diskussion aufs Neue."
Die Umwidmung für den 66 Meter hohen Luxusturm auf dem Heumarkt konnte Vassilakou durchbringen. Die Krise in der Partei bleibt.